Miami

Sonne, Strand, Surfen, Drogen, Beach Boys: Die traurige Wahrheit hinter der Fassade

Musiktitel zugleich Filmtitel: Love & Mercy. Die kalifornische Band Beach Boys bestand aus Brian Wilson, der als Komponist und Schlagzeuger fungierte sowie seinen Brüdern Carl, einem Gitarristen und Denis, dem Schlagzeuger. Ihr gehörten ferner an deren Vetter Mike Love als Saxofonist und die Musiker Bruce Johnston, einem E-Bassisten und den Gitarristen Alan Jardine und David Lee Marks. Anfang der 60er Jahre gründete sich die Band und brachte Welthits wie I get around, Love & Mercy, Surfin USA, Kokomo und California Girl heraus. Über ein halbes Jahrhundert lang hatten diese US-Musiker unaufhörlich Titel unter den Top 40 der USA-Charts platzieren können. Der 1955 geborene Regisseur Bill Pohlad drehte 2014 einen 122 Minuten Spielfilm über das Leben von Brian Wilson. Ein Beach Boys Lied diente auch als Filmtitel. Den jungen Musiker spielt Paul Dano, den erwachsenen John Cusack. Die Autoverkäuferin Melinda Ledbetter stellt Elisabeth Banks dar, Paul Giamatti den Arzt Dr. Eugene Landy. Der Filmemacher hat einmal den jungen Brian als auch den älteren porträtiert. Das Besondere an diesem Spielfilm ist, es wird nicht im ersten Teil die Jugend dargestellt und dann kommt im Film eine Zäsur und der Zuschauer darf nur noch den erwachsenen Beach Boy Brian sehen. Bill Pohlad mixt die Zeitebenen gekonnt, je nachdem, wie es für die Erzählung am besten hinkommt. Die Auftritte des jungen und des alten Brian wechseln sich gekonnt ab. Am Anfang der Karriere sehen wir Brian und seine Brüder und Kumpels mal „nur Grass rauchen.“ Später folgt ein LSD-Trip dem anderen. Die harte Jugendzeit und der herrschsüchtige Vater werden vom Regisseur schonungslos erzählt. Durch eine sehr kräftige väterliche Ohrfeige ist der Junge zu 96 Prozent taub auf einem Ohr. Der erwachsene Musiker hat einen eigenen Arzt um sich herum. Dieser Dr. Landy ist in Wirklichkeit ein raffgieriger Zeitgenosse und nur darauf bedacht, den erfolgreichen und wohlhabenden Künstler um sein Vermögen zu bringen. Ein Sammelsurium von Medikamenten verordnet der Therapeut dem Musiker. Darüber hinaus noch verkündet er, sein Patient leide an paranoider Schizophrenie. Der Komponist steht kurz vor der Entmündigung Ende der 80er Jahre. Natürlich versucht der hinterlistige Mediziner auch noch, Vormund des Kranken zu werden. Regisseur Bill Pohlad zeigt uns dann einen schüchternen Mann in einem Autohaus, der vor einem großen US-Straßenkreuzer die Schuhe ausgezogen hat. Als ihn die Autoverkäuferin anspricht, warum er das getan habe, entgegnet der Kunde: „Ich war mit meinen Schuhen am Strand. Ich kann doch so ein wunderschönes Auto nicht mit Dreck besudeln.“ Zuerst erkennt die Mitarbeiterin des Autohauses den Prominenten gar nicht. Brian findet Gefallen an der Dame und man trifft sich später mehrfach in Restaurants. Dort erleben wir den völlig zerstörten Brian. John Gusack zeigt hier all sein schauspielerisches Können als er weinerlich hilflos mit dem Gesicht auf dem Tisch liegt. Er offenbart Melinda, wie viele Medikamente er tagtäglich einnehmen muss und ist traurig, dass er seine beiden Kinder aus der ersten Ehe seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Nun beginnt der große Auftritt von Elisabeth Banks. Sie spielt glaubwürdig eine Person, die dem Kranken helfen will. Der Arzt, der seinen Patienten mit den von ihm verordneten Medikamenten regelrecht füttert, erkennt nicht die wahren, ehrlichen Absichten. Die Raffgier, die Paul Giamatti sehr überzeugend darlegt, überträgt er auch auf Melinda. „Ich hab ja nichts dagegen, Schätzchen, dass du es auch auf Brians Geld abgesehen hast. Nur du, Schätzchen, musst dich in der Schlange ganz hinten anstellen.“ Der Kinobesucher erlebt eine kämpfende Melinda, die mit einstweiligen Verfügungen den Arzt aus dem Umfeld des Musikers verdrängen kann. All die diagnostizierten Gebrechen des teuflischen Mediziners erweisen sich im Nachhinein als Lügen. Nur um des Betruges Willen hat der Arzt seinen Patienten Brian krank gemacht und aus ihm einen Sucht abhängigen produziert. Regisseur Pohlad erfindet das Happy End in seinem Werk nicht, er stellt das wahre Happy End vor. Am Ende sind Melinda und ihr Beach Boy im wirklichen Leben ein glückliches Paar und haben noch drei gemeinsame Kinder. Mit Brians zwei Kindern aus erster Ehe lebten die fünf Kinder gemeinsam in einem Haus in Kalifornien bis sie auf eigenen Füßen standen. Bewegend die Schlussszenen in diesem großartigen Meisterwerk. Der echte Brain Wilson steht wieder erfolgreich auf der Bühne. Der Regisseur greift hier auf das Original und keinen Mimen zurück. Ein kleiner Umstand überschattet das wiedergefundene Selbstvertrauen und Glück des Künstlers. Er ist aufgrund der großen Medikamenteneinnahme von einst sehr stark gehbehindert. Diese Szene hat der Filmemacher sicherlich nicht grundlos dem Publikum gezeigt. Die vielen Auszeichnungen, das viele Geld durch die erfolgreichen Lieder, das hohe Ansehen bei Fans und Kritikern, all das wurde erkauft durch ein Leben am Gehstock. Die echte Melinda, auch hier wird auf eine Schauspielerin verzichtet, stützt liebevoll den Gatten ab, als er unter tosendem Beifall von der Bühne sich wegbewegt. Wäre Brian seiner charmanten Autoverkäuferin und späteren Ehefrau nie begegnet, wer weiß wie er heute leben würde. Ob er überhaupt noch am Leben wäre? Bei der 65. Berlinale lief der Film mit dem Titel Love & Mercy in der Programmreihe Berlinale Special. www.berlinale.de

ReiseTravel Fact: Dieser imposante Film zeigt auf, welch steinigen Weg manche Weltstars gehen müssen, ehe sie ganz oben auf der Karriereleiter angekommen sind. Es wird einem im Leben nichts geschenkt, das trifft auch für den Ruhm zu. Diesen Film sollten sich besonders junge Menschen ansehen, die meinen, ohne Ausbildung oder Studium kann man ja als Künstler ganz schnell nach oben kommen und steinreich werden. Bei Castingshows im deutschen Fernsehen wird gerade der Jugend oft in falschen Farben vermittelt, wie einfach es doch ist, Künstler zu sein. Brian zeigt das wahre Gesicht der Branche. Er hat sich schon früh von den Tourneen abgekapselt und komponierte allein im Studio. Er war dem Stress einer langen Tournee bereits in seinen jungen Jahren nervlich nicht mehr gewachsen. Sicherlich wird der ein oder andere Möchtegern Künstler von Übermorgen es sich noch einmal reiflich überlegen, ob er wirklich nach Ruhm schielen möchte. Er hat ja nun das Beispiel von Love & Mercy vor Augen. 

Ein Beitrag für ReiseTravel von Volker T. Neef.  

Volker T. Neef ReiseTravel.euUnser Autor berichtet aus der Bundeshauptstadt und ist in Berlin wohnhaft.

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