Seoul | Auf Knien ins Nirwana |
Beim Relaxen rinnt der Schweiß: Eine Reise hinter die Tempelmauern in Südkorea, mit Kniefall-Marathon im Land der Mönche!
Leben mit Tempelmönchen: Südkorea „spürbar“ erleben, raten Südkoreas Tourismusmanager. Wie wörtlich dieser Vorschlag gemeint ist, merken Komfort verwöhnte Mitteleuropäer aber erst beim Kniefall-Marathon in einem Mönchskloster. Oberstes Gebot: Immer lächeln!
Anschauungsunterricht bei einer vorerst noch entspannten Begegnung mit Buddha gibt es zwei Autostunden von Seoul entfernt im Seoraksa Nationalpark. Ganz gleich, ob die Route beim Eingangstor Sogongwon schnurstracks auf Wanderwegen ins Gebirge, mit der Seilbahn auf die 1.700 Meter hohen Bergfestung Gwongeum oder zur Tempelanlage Shinheungsa geht, alle Pfade führen zu Buddha.
Gebetshaus auf der Klosteranlage Golgulsa
Mit Kerzen und Räucherstäbchen in den Händen beten Gläubige vor einer imposanten fast 15 Meter hohen Statue. Steile Kliffs, plätschernde Wasserfälle und zackige Felsformationen betten die erhabene Erscheinung in ein würdiges himmlisches Landschaftsensemble. Ein paar Schritte weiter stapeln sich Hunderte schwarze Ziegel.
Wanderer kaufen sie für ein paar Euro, schreiben ihre Wünsche auf und steuern so einen Obolus zum Erhalt der Tempel bei: Ist die Kreide auf den Steinen verblasst, erfüllen die „Wunschzettel“ als Dachziegel auf den Tempeln eine praktische, irdische Aufgabe.
Am japanischen Meer in der südwestlichen Provinz Gyeonsangbuk-do schmiegt sich in einem engen Tal der 1.500 Jahre alte Kriegertempel Golgulsa an eine Felswand des Hamwol Bergs. Rund 20 Kilometer östlich der Stadt Gyeongju stehen hier die ältesten buddhistischen Ruinen der vor mehr als 1.000 Jahren untergegangenen Silla-Dynastie sowie Koreas einziger Höhlen-Tempel.
An der Spitze der Anlage dominiert hohe aus einem Kalkfelsen geschlagene Buddha-Statue das Heiligtum. Sieben von einst 12 Gebetshöhlen umgeben den Maya-Tathagata-Buddha. Die Klosteranlage lässt Touristen bei einem „Templestay“ an 365 Tagen im Jahr Koreas buddhistischen Alltag miterleben – ganz egal ob nur ein paar Stunden, mehrere Tage oder Wochen. Der Besuch beginnt meistens in einer Kleiderkammer mit dem strengen Hinweis, keine bunten Kleider zu tragen und diszipliniert dem täglichen Zeitplan zu folgen.
Training: Sunmudo-Training hinter Klostermauern. Der Golgulsa Tempel ist das Zentrum dieser Zen-Kampfsportart.
17.30 Uhr: Noch eine halbe Stunde Zeit bis zur abendlichen Zeremonie Balwoo Gongyyang (Gemeinschaftsessen). Ein Mönch lächelt. Dann schiebt er ein Textilbündel über den Tisch. Unter dem linken Arm eine beigefarbene Weste und braune schlabberige XXL-Schnürhose, in der rechten Hand das Reisegepäck geht es zum Kleiderwechsel keuchend die Treppen hinauf ins Gästezimmer. Die karge Unterkunft mit zwei Regalen, einen brummenden Kühlschrank und einer Steppdecke als Nachtlager auf dem beheizten Fußboden lässt viel „Raum“ für eine nächtliche Selbstfindung.
Im neonhellen Speisesaal knacken zum ersten Mal die Knochen: Runter auf den harten Holzboden in den Lotussitz und mit Stäbchen das vegetarische Mahl aus vier Schüsseln picken. Wem Reis, Kimchi, scharfes Wurzelgemüse oder Seetang durch das Essbesteck flutscht, bezahlt mangelndes Geschick mit einem knurrenden Magen. Egal. Beim Sonmudo in der benachbarten Trainingshalle geht das Grummeln ohnehin im dumpfen Poltern der Sprünge und im Knacksen der Gelenke unter. Von Bildern an den Wänden blicken „Erleuchtete“ und Weise auf rund 60 Anfänger aus Asien, Amerika und Europa hinab, die sich redlich mühen, Anweisungen zu Gebetsritualen, Meditationstechniken und Boden-Übungen der Kampfsportart zu folgen. Somudo-Kämpfer würden sich heute noch als Krieger verstehen, übersetzt ein Ordensjünger aus Straßburg die Schilderungen eines koreanischen Mönchs. Im frühen Korea hätten buddhistische Mönche an der Seite von Soldaten die Kultur ihres Landes verteidigt, erklärt der Franzose, der sich für drei Jahre in dem Tempel „verpflichtet“ hat. Ihm gehe es nicht um Kampf, sondern um das Beherrschen seiner Energie: „Du kannst es lernen, wie ein Baby Schritt für Schritt.“
Kraft aus Meditation und Disziplin: Mönche demonstrieren im Golgulsa Tempel den Kampfsport Sunmudo.
Okay. Und wie geht es nun sportlich-meditativ weiter...? Auf die Knie fallen, Körper nach vorne beugen und „in die Cobra gehen. Dann Stirn und Hände zum Boden strecken, aufstehen, nieder, aufstehen - oder umgekehrt? Jetzt das Ganze noch einmal ... Na gut, auch wenn die geknechteten Knie lamentieren - immer mitmachen, was die andern tun! Fast 90 Minuten dauert die sportive Schulung mit den Sonmudo-Lehrern, die diese dem Taekwondo verwandte Zen-Kampfkunst nur in Südkoreas Golgulsa Tempel pflegen. Die Muskeln zwicken, Schweiß perlt von der Stirn. Es ist zehn Uhr. Licht aus, Feierabend.
Tock - tock - tock. Von wegen „Land der Morgenstille“. Mit Stockschlägen auf einen Holzkorpus mahnt ein Mönch um vier Uhr früh gnadenlos zum Aufstehen. Draußen ist es finster wie im Sack. Wer zu spät zur Morgenmeditation kommt, dem drohen als Buße 1000 Verneigungen zu Ehren des Erleuchteten. Gästen wurde dieses Strafmaß zwar noch nie abverlangt, aber man weiß ja nie. Also hurtig den Hügel hinauf. Noch 15 Minuten Zeit, das muss reichen.
Ohm!! In der kleinen schlauchförmigen Dhamma Hall kniet auf Sitzkissen die betende Morgenschar. Gedämpftes Licht, Schweigen. Die Seele relaxt. Ohm!! Das war´s aber mit der Ruhe. Leise, dann immer lauter, immer ekstatischer rezitiert ein Mönch spirituelle Texte. Sein Gesicht ist schweißgebadet. Irgendwann, jenseits vom Jetzt im Zustand des Rausches wird er das Gebet als reinigend und erholsam erfahren. Glaubensbrüder und -schwestern folgen dem Meister leise murmelnd und mit Kniefällen auf dem Weg zum tiefsten Nichts, dem Nirwana.
Vor dem Gebetsraum streichelt frische Morgenluft das Gesicht. Mit drei Armlängen Abstand und gefalteten Händen vor der Brust folgen die Buddha-Schüler in zwei Reihen den Mönchen auf einen Heiligen Platz. Scheinbar Ewigkeiten von iPhone, Laptop und Verkehr entfernt, hängt über dem Openair-Ritual am Himmel ein blasser halber Mond. Orange-gelbe Lichtfetzen auf den Bergkämmen kündigen den jungen Tag an.
Zur Fußball-WM 2002 habe sein Land zum ersten Mal Tempel für Besucher aus dem Ausland geöffnet. Heute seien es fast 30 Heiligtümer, in denen Menschen auf der Suche nach dem inneren Licht Geist und Seele erfrischen, spricht Reisebegleiter Ji-Hon Park bei der Weiterfahrt ins Bus-Mikrofon. Niemand hört zu. Nach viel „ora et labora“ dösen alle in den weichen Sesseln vor sich und ersehnen einen heißen Kaffee an der nächsten Raststätte. Nur Ji-Hon Park nicht. Er steht, erzählt - und lächelt.
Tempelaufenthalt: Beim Barugongyang (Mönchsmahl) lernen Gäste die besondere Methode des Essens im Buddhismus kennen. Gesprochen wird nicht. Bei der Mahlzeit sind strenge Zeremonien einzuhalten.
ReiseTravel Service
Pauschalreisen: Eine 10-tägige Rundreise ab/bis Deutschland nach Korea kostet bei Dertour ab 2.599 Euro (ab/bis Seoul 2.025 Euro). Templestays bietet der Veranstalter auf Anfrage an. Templestay-Info: www.tempelstay.com
Hotelunterkünfte (***) in Seoul ab rund 50 Euro p.P.
Einreise: Es genügt ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass.
Geld: Koreas Währung ist der WON. 1 Euro = 1.278 WON.
Impfungen: Standardimpfungen (insbesondere Tetanus, Diphtherie) reichen aus.
Preise: Hotel- und Restaurantpreise liegen rund 12 Prozent unter dem Preisniveau in Deutschland. Preiswert sind Gästehäuser (12 bis 30 Euro) und die rund 80 Jugendherbergen (6 bis 25 Euro) je Person/Nacht.
Küche: Zu einem koreanischen Essen gehören Reis, eine Suppe und mindestens vier Beilagen. Die Küche ist kalorienarm, von verschiedenen Gemüsen und Gewürzen wie Sojasoße, roter Chilipasta, Ingwer und Lauch geprägt. Hauptbeilage für jede Mahlzeit ist Kimchi, ein scharf gewürzter eingelegter Chinakohl mit Chilipulver. Es wird außerdem als Zutat für andere beliebte Gerichte wie Eintopf oder Pfannkuchen verwendet. Gerichte, die dem westlichen Gaumen entgegen kommen sind Galbi (marinierte Rinderrippe) und Doenjangjjigae (Gemüseeintopf). Ein schmackhafter Straßenimbiss ist Tteokbokki (Reiskuchen in scharfer Soße).
Literatur: „Korea – Land der Berge und Buddhas“. 175 Seiten, Schillinger Verlag Freiburg, 34 Euro. ISBN 978-3-89155-149-3
Adressen: Tempel Golgulsa: www.golgulsa.com Kampfsport Sunmudo: www.sunmudo.com
Auskünfte: KTO-Büro, Baseler Straße 35-37 Frankfurt/M. Telefon: 069 / 233226. e-mail: knto@euko.de
Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Manfred Lädtke.
Unser Autor lebt und arbeitet in Karlsruhe.
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