Helsinki

Safari zur lappischen Hölle: Mit Motorschlitten durch das Ylläs Gebiet und Schwitzen in der XXL- Rauchsauna!

Ist Lappland von allen guten Geistern verlassen? „Die Natur zürnt uns“, murmelt Irna beim Verlassen des Flugzeugs. „Tourismus verändert unser Land.“ Während die 83-Jährige zu der kleinen Flugplatzhütte schlurft, tanzen auf dem Rollfeld Schneeflocken im Wind Eisballett. Die Alte deutet auf eine Flocke an ihrem Lodenmantel. Unter Milliarden sei keine wie die andere. Wie die Sonnen der Milchstraße sei jedes Eiskristall ein unendlich filigranes Kunstwerk. Dann schweift ihr Blick über das milchige Weiß der wie erstarrt ruhenden Landschaft: Nur 20 Zentimeter Schnee im Januar, das habe es in Finnisch-Lappland lange nicht mehr gegeben. Klimawechsel? Alles Quatsch. Irna vermutet eine „Strafe“ aus dem Reich der Dämonen, den „heimlichen Herren“ am nördlichen Polarkreis.

Mystisches Finnland by ReiseTravel.eu

Mit Motorschlitten den Mythen und Sagen in Finnisch-Lappland auf der Spur. Das mystische Ylläs-Gebiet gilt als Heimat ehemaliger Hexenmeister.

Ja, es sei etwas dran an der Mystik, die dem Land der sieben Fjällberge im nordwestlichen Zipfel Finnlands nachgesagt wird, bestätigt am nächsten Tag Paula. Abseits der Loipen und Skipisten im Wintersportgebiet am Ylläs-Berg gebe es Täler und Plätze, die einst Orte geheimnisvoller Kulte waren. Die Schwermut des winterlichen Dunkels mag mit zum Geisterglauben in diesem Teil von Europas Kühlkammer beigetragen haben, vermutet Paula. In der rustikalen Kaminstube des Äkes-Hotels in Äkäslompolo tischt sie heiße Kräutersuppe auf. Paula ist der „gute Geist“ für Einheimische und Wintersportler, die sich in der Stube aufwärmen.

Beim Prasseln des Kaminfeuers berichtet sie von alten Zeiten. Den ersten Urlauber habe ihre Großmutter bereits 1920 beherbergt. Von der einzigen holprigen Landstraße hätte der aber drei Stunden auf Ski bis zum Quartier laufen müssen. Im Nachbarhaus wuchs die spätere „Post-Elsa“ auf. 50 Kilometer sei sie jede Woche mit dem Briefsack unterwegs gewesen. Als „Post-Elsa“ zum ersten Mal Winterurlauber auf Brettern sah, soll sie gefragt haben: „Warum laufen die hier auf Ski herum, die haben doch gar kein Ziel?“

Draußen schneit es kräftig. Lappland sei Frau Holles Lieblingsland, prophezeit Paula einen Märchenwinter allem Geisterglauben zum Trotz. Das spüre und das rieche sie, bekräftigt die junge Frau. Auf ihre Nase sei mehr Verlass als auf jeden Dämon. Das silberweiße Kleid der Natur reflektiert das Licht des Mondes und der Sterne. Lapplands Winterdunkel zeigt sich in einem schimmernden, melancholischen Blau.

Am nächsten Morgen wartet Illka mit startbereiten Motorschlitten. Die richtige Winterkluft für einen „Ritt“ mit den Hightech-Flitzern liefert der Wildmarkführer gleich mit. Helm auf, Augenschutz runter. Den Gashebel ziehen, und schon stieben die Motorschlitten durch Schneefontänen davon. Durch dicke Schneeflocken preschen die Mobile über einen gefrorenen See ans andere Ufer. Stopp! Zeit für Erzählungen von Schamanen und Hexenmeistern.

Manche Zauberer holten sich ihre Kraft im Schlaf auf Friedhöfen und indem sie den Erdtönen lauschten, andere starrten stundenlang ins Feuer. Das verlieh ihnen die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen und Krankheiten zu heilen. Legende, Aberglaube, Wahrheit? Illka zuckt die Schultern. Tatsächlich soll früher am See ein kauziger Einsiedler gelebt haben. Zu Menschen wahrte er Distanz. Nur mit Geistern hielt er Zwiesprache. Vor allem Pfarrern sei er aus dem Weg gegangen. Wie seine „Kollegen“ fürchtete der Seher in Gegenwart der Gottesmänner den Verlust seiner Autorität. Solche Berührungsängste gab es auf beiden Seiten, berichtet Illka weiter. Jeder mied den anderen wie der Teufel das Weihwasser. Immerhin habe der Zauberer Kranke geheilt und schon vor 100 Jahren vorausgesagt, dass eines Tages jeden Winter „Tausende von Menschen aus fremden Ländern“ in die Fjällberge kommen würden.

Zwei Tage später sind alle guten Geister wieder bester Laune. Eine 45 Zentimeter dicke Schneedecke garantiert beste Voraussetzungen für eine Reise in die tiefe Wildnis, durch die Täler der Fjälls bis zur sagenumwobenen „Lappischen Hölle“. Die PS-Protze röhren durch die frostige Weite. Mit 25 Kilometer pro Stunde flitzen die Schlitten oder schaukeln und quälen sich durch Raureif gepuderte Wäldchen, überqueren die Eisdeckel nur auf Wanderkarten erkennbarer, scheinbar unendlich weiter Seen, um dann wieder inmitten schneeweißer Baumriesen zu verschwinden. Beim jähen Abfall einer Bodenwelle schert eine Maschine aus und droht in einer Kurve zu kippen. Gas weg, Steuer hart Backbord. Den Oberkörper in die Gegenposition. Mit viel Fingerspitzengefühl im Daumen langsam wieder Gas geben, und mit heulendem Motor heraus aus dem drohenden Schlamassel. Glück gehabt.

Die Scooter haben die Fußsohle des 718 Meter hohen Ylläs erreicht und steigen den Bergrücken hinauf. Nur Markierungsstangen weisen den Holperpfad durch immer dichter werdende Nebel auf die Bergspitze. Auf der anderen Seite erstreckt sich das „Teufelstal“. Über harte, buckelige Pisten geht die Tour mit Achterbahn-Feeling weiter durch eine Urlandschaft, die scheinbar keinen Horizont hat.

Hinter einer Lichtung, mitten im Wald, gibt Illka das Zeichen zum Halten. Wie Astronauten stapfen die Mobilisten durch kniehohen Schnee auf einen Hügel. Unter starren gewaltigen Bäumen versteckt liegt in einer Schlucht die „Lappische Hölle“ im Eisschlaf. Ein Bild wie ein Stillleben. Der See ist der Nachfahre eines Gletschers und war die heiligste Stelle der Samen im Ylläs-Gebiet. Einen festen Seeboden haben Taucher in neun Meter Tiefe nie gefunden. Dafür tonnenweise Opfergaben in dicken Schlammschichten. Sie sollten den Teufel gnädig stimmen, den die Samen in der „Hölle“ unter dem Wasser wähnten, erklärt Illka und weist auf einen vereisten Opferstein. An dem See feiere heute noch ein Volksstamm jedes Jahr ein Ritual.

In der Sauna

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Als Volk von Fischern und Jägern haben die Lappen aber nicht nur zu eiskalten, sondern auch zu ihren „heißen“ Plätzen ein fast mystisches Verhältnis. In grauer Vorzeit brachten Frauen in den keimfreien Holzverschlägen ihrer Rauchsaunen sogar Kinder auf die Welt. Jede Braut nahm vor ihrer Heirat ein Saunabad, und vor jedem Fest und nach jeder Jagd traf sich die Gesellschaft im „Badezimmer“. Fleisch wurde dort geräuchert, Malz, Hanf und Flachs getrocknet. Natürlich baumeln heute keine Schinken mehr von der Decke. Aber hoch im Norden gibt es noch Menschen, die an den unter der Pritsche wohnenden Erdgeist oder an die Macht, der Brautbeschwörung des Saunaschutzgeistes glauben - zumindest für Touristen.

Kein Humbug ist freilich die Tatsache, dass in keinem anderen Land der Erde Politiker und Geschäftsleute so oft ins Schwitzen kommen, wie in Finnland. Vor wichtigen Besprechungen führen Finnen ihre Geschäftspartner in den „Gesellschaftsraum“ Sauna. Beim Klatschen der Birkenquaste schmelzen die Differenzen und wächst die Neigung zum Kompromiss. Die weißen Westen und Epauletten bleiben im Kleiderspind - ohne Hemd und Hose ist auch ein Promi nur ein Nackedei. Erst später am Kamin bekommt jeder seine gegrillte Extrawurst. Auf Überlegungen, ob und wie dieses streng nach Geschlechtern getrennte Ritual angesichts des Vormarsches einer weiblichen Gesellschaftselite aufrechtzuerhalten sei, habe die findigen Finnen allerdings noch keine Antwort gefunden.

Staatsmänner, königliche und bürgerliche Gäste haben auf den harten Pritschen der Rauch geschwängerten Gesundheitskammern Platz genommen. Und als befürchteten sie, ihre uralte Art des Badens könnte angesichts Chip gesteuerter High-Tech-Schwitzstuben verdampfen, haben sie in Kakslauttanen, bei Ivalo, die angeblich größte Rauchsauna der Welt gebaut. Wer in der für mindestens 70 Popos gebauten XXL-Stube Platz nimmt, schwitzt nach 2000-jähriger Dampfbadsitte. Das technische Prinzip dieser wichtigsten Kultureinrichtung des Landes ist das gleiche geblieben: Vor dem Dampfbad heizt ein Ofen mit speziellen Holzarten dem Schwitzkasten kräftig ein. Der Rauch entweicht durch Schlitze in den Holzwänden. Erst nach Stunden sorgt der Glutballen im Ofen für Schweiß treibende Hitze und den weichen reinigenden Dampf.

Wer jetzt von „Massensauna“ spricht, zieht sich den Zorn der Nordmänner zu. Den Begriff meiden die Finnen genauso, wie in grauer Vorzeit der gute Geist des Hauses den heiligen Ort der Körper- und Seelenreinigung dann ignorierte, wenn an dem Platz der Stille auch nur ein einziges Mal gestritten wurde.

ReiseTravel Service

Anreise: Flug bis Helsinki, von dort Flugzubringer nach Kittilä (1:30 Stunden). Nach Äkäslompolo (55 km) verkehren Busse.

Reisezeit: Ab Februar ist der dunkle Winter vorbei, die Sonne lugt über den Horizont, die Temperaturen steigen bis minus 12 Grad. Beste Zeit für einen Trip ins weiße Winterwunderland sind die Monate März bis Ende April.

Übernachten: Unterkünfte in Hotels, Igloo-Hotels und Blockhäusern sowie pauschale Aktiv-Winterwochen mit Schneemobil- und Hundeschlittensafaris hat Dertour im Programm. Dort sind Safaris auch als Ausflugspakete buchbar. www.dertour.de  

Hotel Kakslauttanen: Im Norden Finnlands, 250 Kilometer über dem Polarkreis und 40 Kilometer von Ivalo entfernt: Romantische Hotelanlage mit Rauchsauna und komfortablen Blockhütten im Saariselkä Fjellgebiet: www.Kakslautanen.fi

Hotel Äkäshotelli: Wellness- Dorfhotel in Äkäslompolo ab 98 Euro / DZ. Nach Sonderkonditionen in Kombination mit Wintersportaktivitäten erkundigen. Telefon: + 358 (0) 16 323 400. www.laplandhotels.com

Essen: Eine Landesspezialität ist ein im Ofen gebackenes Lammfleisch mit Kartoffeln. Aus der russischen Küche kommt die Fleisch-Pirogge. Die finnische „Mautasche“ wird mit Rindfleisch, Speck und verschiedenen Gewürzen serviert. Für Vegetarier gibt es auch Piroggen mit Sauerkraut- und Pilz, Quark oder Früchten.

Ausflüge: Außer Motorschlitten-Safaris bietet das Wintersportgebiet Äkäslompolo Ausflüge mit Huskys und Rentieren sowie ein Skizentrum und 280 Kilometer Loipennetz. Winterfeste Ausrüstungen für längere Touren können bei lokalen Veranstaltern mitgebucht werden. Für Touren mit Motorschlitten gibt es vor dem Start ein Fahrtraining. Im Angebot sind Tagesetappen bis 50 Kilometer. Bei winterlichen Expeditionen von zwei bis sechs Tagen wird in Wildnishütten mit Sauna übernachtet. Die Tourpakete sehen auch ein Umsteigen vom Motor- in einen Renntier- und Huskyschlitten vor. Die Kombination gibt es ab fünf bis sechs Tagen. Die Touren können im Dorf organisiert und gebucht werden.

Nicht vergessen: Für jede Winterzeit Thermo-Unterwäsche, wasserdichte feste Schuhe, Mütze, Handschuhe, Sonnencreme und Sonnenbrille mitnehmen.

Äkäslompolo: Das Ylläs-Gebiet mit sieben Bergen, zwei Dörfern und 320 Kilometer Loipen liegt bei Kittilä 150 Kilometer jenseits vom Polarkreis. Am nordwestlichen Rand befindet sich das Dorf Äkäslompolo.

Auskünfte: Telefon: (+ 358) (01) 79 56 71 61. www.visitfinland.com/de - www.tunturi.fi - Ylläs Tourismusverband Telefon: +358 (0) 40 550 2424.

Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Manfred Lädtke.

Manfred Laedtke ReiseTravel.euUnser Autor lebt und arbeitet in Karlsruhe.

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