Zittau | Zug ohne jede Eile |
Das Zittauer Gebirge ist das kleinste Mittelgebirge Deutschlands und hat zahlreiche familienfreundliche Erlebnisräume zu bieten
Dampfross, Raubritter und Himmelsleiter: Wie ein schwarzes Ungetüm nähert sie sich, schnaufend, stöhnend, die dunklen Dampfwolken aus dem Schornstein stoßend, dem historischen Bahnhof der Zittauer Schmalspurbahn.
Ich bin Finn und wieder mal auf Reisen: Diesmal mit Volldampf ins Zittauer Gebirge. Echt romantisch die sächsische Eisenbahn mit 700 PS und einer Geschwindigkeit von 30 km/h sitze ich wie die Leute schon vor über hundert Jahren, in einem der alten, hochherrschaftlichen Abteile, stecke den Kopf aus dem Fenster und atme die frische Bergluft ein. Kleine Umgebinde Häuser mit ihren Gärten, weite Wiesen und Wälder, kleine Bäche, Felder und Felsen ziehen an mir vorbei. Solche Züge wie aus einer anderen Zeit gab es im Zittauer Gebirge schon seit dem Jahr 1890. Man nannte den Streckenabschnitt damals die Zittau-Oybin-Jonsdorfer Eisenbahn, abgekürzt ZOJE. Kein Wunder, bald nannten die Bewohner der Dörfer ihre Bahn „Zug ohne jede Eile“.
Am Bahnhof Oybin endet meine Fahrt, direkt unterhalb des Berges Oybin, auf dessen Thron eine alte Burg- und Klosteranlage steht. Nun beginnt eine Zeitreise ins Mittelalter. Mit der Magd Brunhilde geht es hoch hinauf auf den sagenumwobenen Berg zur Burg Oybin.
Ist das cool. Die hohen Felsen ringsherum sehen aus wie Stein Riesen, die tagsüber schlafen. Ganz früher, vor etwa 600 Jahren, standen hier noch große Forellenteiche. Wie gemein, die Fische waren nur für die Fürsten und Könige vorgesehen. Später wurden die Teiche durchstochen und man baute die Burg zu einer wehrhaften Anlage, zur Verteidigung vor fremden Räubern und zum Schutz von zwei Handelsstraßen, die über das Gebirge führten. Für den Bau der Burg brach man große Steinstücke aus dem Felsmassiv.
Kaiser und Mönche
Der böhmische König und deutsche Kaiser Karl, der IV., lud sich Mönche auf den Berg ein und stiftete ihnen ein Kloster. Zeuge dieser Zeit ist die Ruine der Klosterkirche mit den 23 Meter hohen Wänden. Es heißt, sie wurden deshalb so hoch gebaut, weil man mit dem schönen Gesang beim Gottesdienst den lieben Herrgott erfreuen wollte. Das Dach oben ist offen. In der Nacht muss es toll aussehen, wenn die Sterne in die Ruine hinein leuchten.
Zweihundert Jahre lebten Mönche und Kaiser friedlich neben- und miteinander auf dem Berg Oybin. Mit der Erneuerung der Kirche löste sich das Kloster auf. Durch einen Blitzeinschlag brannte die kaum noch benutzte Burganlage mit dem Kaiserhaus und dem Kloster lichterloh. Später riss ein Felsstück ab, der noch mehr von der Burganlage zerstörte.
Dunkle Schluchten, die letzten Gesteinsmauern des Kaiserhauses, die alte Klosterruine, der Bergfriedhof der Mönche –wie es früher hier wohl zugegangen sein mag? Das Erlebnis ist mit keinem meiner Raubritter Spiele zu vergleichen. Magd Bruni bleibt an einer Brücke am Ritterweg mit mir stehen. Es ist das zweite Tor, über dem das Burgareal betreten werden konnte, aber nur von denen, die mit friedlichen Absichten kamen. Die bewegliche Zugbrücke konnte mithilfe einer mechanischen Vorrichtung hochgeklappt werden. Mit Seilen oder Ketten, die am äußeren Ende der Brückenklappe befestigt waren.
Damals bedienten Pagen die Zugbrücke, und wenn Feinde sich näherten, schlugen sie mit einer großen Axt die Kette durch, damit kein Fremder auf die Burg dringen konnte. Kaum zu glauben, als Pagen wurden Kinder schon ab 7 Jahre eingesetzt. Wie schrecklich, mir vorzustellen, dass ich mit meinen sieben Jahren auch schon ein richtiger Erwachsener wäre und gar nicht mehr bei meinen Eltern sein könnte. Nein, im Mittelalter möchte ich nicht gelebt haben.
Allerdings lerne ich von Bruni die perfekte Verbeugung. Das muss man erst mal hinkriegen. Ein halber Ausfall Schritt mit dem rechten Bein nach hinten. Dazu eine tiefe Verneigung vor dem Kaiser. Natürlich mit gesenktem Blick. Und erst wenn der Herrscher ein Zeichen, also die Erlaubnis gibt, darf ich mich erheben. Ich glaube, die Mädchen hatten es da mit dem Knicks etwas einfacher.
Sagen und Legenden
Etwas gruselig, aber echt spannend sind die Geschichten, die mir Magd Bruni erzählt. So soll ein Raubritter die Tochter des Bürgermeisters verfolgt haben, um seine Frau zu werden. Sie aber soll vor ihm weggerannt und in die Tiefe einer schaurigen Felskluft gesprungen sein. Durch den Felsen ging jedoch ein geheimer Gang. Die Jungfrau krachte auf ein morsches Holzdach von einem Badezimmer, landete dort pitschnass aber weich und konnte vor dem bösen Raubritter fliehen.
Auch ein mächtiger Schatz soll hier vergraben worden sein. Es heißt, böse Geister würden ihn bewachen. Mit grauenvollem Geheule, Stöhnen und kläglichem Gewinsel in der Luft. Mit mächtigem Dröhnen und Geschrei an den Ruinen des Burgturmes. Scheußliche Ungeheuer sollen mit glühenden Augen, Flammen aus dem Rachen hauchend durch die Lüfte schwirren. Nie aber hat irgendjemand von den Spukgestalten einen Schatz oder wenigstens kleine Geschenke erhalten. Auch diejenigen, die mutig und mit ganzer Kraft nach Schätzen gegraben haben, wurden niemals fündig.
Am Fuße des Oybin hat Sebastian Sonsalla eine Oberlausitzer Miniwelt geschaffen. Häuser, Mühlen, bekannte Kirchen, Schlösser, Burgen – alles geschnitzt aus Sperrholz. Maßstab gerecht und haargenau von der Wirklichkeit abgeguckt. Das sieht nach Arbeit aus. Allein 7 Jahre hat der Modellbauer an der Burg Oybin gebastelt. Hat die Burg ausgemessen, sie mit der Drohne abgeflogen, und ihre Geschichte erforscht, wie alles einmal war. Eine mühsame Handarbeit. Am liebsten würde ich in seiner Werkstatt das Schnitzen richtig erlernen. Dann nämlich würde ich eine besondere Attraktion modellieren: das Schmetterlingshaus in Jonsdorf.
Den Tropen ganz nah
Leute, so muss es im Dschungel aussehen: Palmen, Bananenstauden, ein Teich mit tropischen Wasserpflanzen, ein Wasserfall und das bunte Treiben der über 200 Schmetterlinge. Doch mit meinem Fotoapparat sind sie schwer einzufangen, obwohl sie in ihren leuchtenden oder auch tarnenden Farben ganz dicht an mir vorbeifliegen. Am liebsten lassen die sich auf den Orchideen nieder. Die etwa 35 Arten kommen aus Australien, Indonesien oder Mittel- und Südamerika. Sie werden dort in Farmen gezüchtet und kommen als Raupen hier an, fressen sich ordentlich satt, hängen sich kopfüber über Pflanzen oder bauen kleine Häuser, die Kokons.
Wenn sie aufbrechen, müssen sich die Raupen um sich selbst kümmern, bis sie sich verpuppen und aus den Puppen dann die Schmetterlinge schlüpfen. Das bekommen die Eltern gar nicht mehr mit, weil sie gleich nach der Geburt ihrer Raupen sterben. Ich frage mich, ob sie trotzdem ihre Kleinen so lieben wie Menschen ihre Babies? Ich bin jedenfalls froh, dass meine Menscheneltern zum Glück immer für mich da sind.
Ist die Raupe erwachsen, beginnt sie mit der Verpuppung, indem sie sich zum letzten Mal häuten. Danach schlüpfen aus den Puppen die Schmetterlinge. Man kann ihre Hochzeitsflüge beobachten und auch die Paarung. Mein Lieblingsfalterschmetterling ist der Blaue Pfau und der Himmelsfalter mit den blauen Flügeln. Manchmal wünsche ich mir, auch fliegen zu können, so als würde man schweben oder in der Luft tanzen.
Zu sehen gibt es aber auch Insekten, Reptilien, Schlangen, Spinnen. Besonders gefallen mir die Eidechsen und die Seepferdchen. Die sind in einem drei Meter langen Seewasseraquarium zu bestaunen mit anderen wunderschöne Korallen und Anemonen und viele Korallenfische wie Feenbarsche, Anemonenfische, Doktorfische, Seeigel.
Da bekomme ich gleich Lust, selbst ins Wasser zu springen. Schon geht es auf ins Trixibad nach Großschönau. Hier kann ich im Wasser toben, meine Bahnen schwimmen, vom Wallrossbuckel rutschen oder einfach nur mal die Luft anhalten und abtauchen... Bis bald. Euer Finn.
ReiseTravel Service
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Ein Beitrag mit Foto für ReiseTravel von Christel Sperlich
Fernsehjournalistin Christel Sperlich entdeckt gern die ungewöhnlichen Geschichten hinter dem Abenteuer Reisen.
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