Erfurt

Sehenswürdigkeiten im Thüringer Wald

Reisen in Thüringen 

„Diesen Weg auf den Höhen bin ich oft gegangen, Vöglein sangen Lieder; bin ich weit in der Welt, habe ich Verlangen, Thüringer Land nur nach dir“

Eine Seniorengruppe aus Berlin wollte das „Grüne Herz Deutschlands“ kennen lernen: Das sagenumwobene Thüringen sollte es sein. Einige ältere Ehepaare und noch mehr allein stehende Damen aus Hamburg, Bremen, Wittstock an der Dosse und Pritzwalk fuhren im Bus mit. Die meisten über 80 Jahre, aber wandern konnten sie noch wie in ihrer Jugend. Die Älteste war 87 Jahre alt. Übernachtet wurde im „Berghotel“ auf dem Reinhardsberg, 500 m ü. M. in dem Luftkurort Friedrichroda mit Blick auf den Inselsberg, mit 916 m eine der höchsten Erhebungen im Thüringer Wald.

Eine Sommerrodelbahn und weitere Attraktionen des Funparks Inselsberg bieten großes Vergnügen für Jung und Alt. Schloß Reinhardsbrunn in Friedrichroda, auf den Resten eines ehemaligen Klosters errichtet, ist dem Verfall preisgegeben, weil sich kein Nutzer dafür findet. Friedrichroda ist auch Haltepunkt für die Thüringerwaldbahn von Gotha nach Tabarz. Eine Besichtigung wert ist die Marienglashöhle in Friedrichroda. Ab 1778 wurde hier Gips abgebaut, der Grundstoff für Stuck. Sechs Jahre später entdeckte man die Kristallgrotte, in der Calciumsulfat kristallisierte. Abnehmer für diese Gipskristalle waren vorwiegend Kirchen, die Altäre und Marienbildnisse damit schmückten. Daher ihr Name. Die Marienglashöhle ist auch Haltstelle der Thüringerwaldbahn von Gotha nach Tabarz.

Von der Autobahn aus konnte man die „Drei Gleichen“ sehen, deren Name soll 1231 entstanden sein, als ein Blitz angeblich alle drei Burgen gleichzeitig entzündete. Dieses Ereignis ist der Grund für das Feuerwerkspektakel „Drei(n)schlag“,  das zum dritten Mal am 20. August 2011 aufgeführt wird. Bei der Aufführung des ersten „Drei(n)schlags“ kam es auf der nahe gelegenen Autobahn zu vielen Autounfällen. Die Burg Gleichen war im Besitz des Grafen Ernst von Gleichen, der nach einer Sage während des Kreuzzuges im 12. Jahrhundert die Sultanstochter Melechsala heiratete, obwohl er in Thüringen bereits seine Frau Ottilia hatte. Dafür erbat er Absolution beim Papst in Rom und bekam sie auch, weil er während seiner Gefangenschaft in Palästina nur dem Tod entkommen konnte, wenn er die Tochter des Sultans heiratete. Bis zu ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg soll sich in der Burg ein dreischläfriges Bett befunden haben. Auf einer Grabplatte im Erfurter Dom ist Graf Ernst mit zwei Frauen abgebildet. Es soll sich dabei jedoch um seine Frau Ottilia und seine Mutter handeln.

Die Mühlburg, die älteste der „Drei Gleichen“ aus dem 8. Jahrhundert,  ist ebenfalls nur noch eine Ruine. Man kann die Mauerreste besichtigen und den noch erhaltenen 22 Meter hohen Burgturm besteigen, wenn der Burgwart anwesend ist, was durch eine aufgezogene Fahne kundgetan wird.

Die Veste Wachsenburg aus dem 10. Jahrhundert ist ein beliebtes Ausflugsziel. Sie befindet sich heute in Privatbesitz und wird als Hotel mit Restaurant betrieben.

Jena

Am nächsten Tag wurde die Universitätsstadt Jena, an der Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Schiller als Professoren lehrten, besucht.

Bekannt ist Jena durch die Optischen Werke Carl Zeiss und die Erfindung des feuerfesten Glases durch Otto Schott (1851 bis 1935), der 1884 das „Glastechnische Laboratorium“ gründete. Jetzt ist Schott ein internationaler Technologiekonzern mit Sitz in Mainz. Markanter Punkt der Stadt ist das Bürohochhaus Jentower mit 133 Meter, das zweithöchste Hochhaus der ehemaligen DDR. Durch ein besonders schweres Bombardement am 19. März 1945 wurde die Innenstadt Jenas fast völlig zerstört; ab 1968 wurde sie neu bebaut. Auch das teilzerstörte Rathaus am Marktplatz, eines der ältesten in Deutschland, wurde wieder aufgebaut. Hier befindet sich die um 1500 entstandene Kunstuhr mit dem „Schnapphans“. Ursprünglich öffnete er bei jedem Glockenschlag den Mund. 1755 wurden ihm ein Engel und ein Pilger zur Seite gestellt.  Nun schnappt er zu jeder vollen Stunde nach einer goldenen Kugel an einem Stab, den ein Pilger hält. Der Sage nach geht Jena unter, wenn er die Kugel schnappt.

Vor dem Rathaus befindet sich das Denkmal der Herzogs Johann Gottfried des Gutmütigen, von den Jenaern „Hanfried“ genannt. Ebenfalls am Marktplatz steht der Stadtspeicher, ein 1384 erbautes Lager- und Kontorhaus mit dahinter gelegenem Wohnhaus von 1435. beide Häuser wurden unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten rekonstruiert, allerdings war die historische Marktfassade nicht mehr erhalten. Der Architekt Ruairi O’Brien baute davor eine fast transparente Hologrammfassade, die ihre Farbe ständig wechselt und so einen Bezug zu Jena als Stadt der Optik herstellt. Genutzt wird das historische Gebäude von der Jena Tourist Information. In der Stadtkirche St. Michael ist die Original-Grabplatte von Martin Luther zu sehen. Er hielt sich mehrmals in Jena auf und predigte 1524 und 1529 in der Stadtkirche. Im Schillergässchen ist das Gartenhaus von Friedrich Schiller zu besichtigen, in dem er von 1789 bis 1799 wohnte. Hier vollendete er unter anderem den „Wallenstein“.

Weiter ging es nach Gera, der ehemaligen Residenzstadt der Fürsten Reuß jüngere Linie, gelegen an der Weissen Elster. Im 19. Jahrhundert war Gera durch seine Textilindustrie die reichste Stadt Deutschlands. Im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, wurden seit Ende der 1990er Jahre viele historische Gebäude restauriert. Bekannt ist Gera durch viele repräsentative Villen, die im Jugendstil und Klassizismus erbaut wurden. Von Interesse sind die Villa Schulenburg, 1914 nach Entwürfen von Henry van de Velde für den Fabrikanten Schulenburg und die Villa Jahr 1907 für den Maschinenbauunternehmer Moritz Rudolf Jahr erbaut. Die Villa Jahr wurde 1945 enteignet; viele Jahre waren hier die russische Stadtkommandantur; derzeit wird sie als Gymnasium genutzt. Interessant ist auch die Geraer Höhler in der Altstadt. Das sind Tiefkeller unter dem eigentlichen Keller der Häuser und nur von dort aus zugänglich. Wer im 17. und 18. Jahrhundert Eigentümer eines Hauses war, durfte sein eigenes Bier brauen, das dann in den Höhlern gelagert wurde. Einige Höhler waren im Zweiten Weltkrieg Luftschutzbunker. Heutzutage werden einige Höhler als Museum und für Ausstellungen genutzt. Im rekonstruierten Geburtshaus des Malers Otto Dix befindet sich eine der bedeutendsten Dix-Sammlungen. Schön gelegen ist der Hofwiesenpark, wo 2007 die Bundesgartenschau stattfand.

Reise in Thüringen 

Am nächsten Tag ging es auf einem Teilstück der Via Regia (Autobahn A 4) erst einmal nach Oberhof, dem Wintersportzentrum Thüringens. Ein freundlicher älterer Herr, der Diplom-Pädagoge Dieter Reinecke, seit 50 Jahren in Thüringen ansässig, erklärte Land und Leute. Die Via Regia ist die älteste und längste Landverbindung (4.500 km) seit zweitausend Jahren. Sie beginnt in Kiew (Ukraine) und endet in Santiago de Compostela (Spanien). Sie führt auch durch Erfurt über die berühmte Krämerbrücke. Zuvor jedoch wurde Wolfgang Eccarius in Engelsbach, der einzigen Glasschmuckschauwerkstatt in Thüringen ein Besuch abgestattet. Jede von Meister Eccarius in aufwändiger Handarbeit bei 850 Grad Celsius hergestellte Perle ist ein Unikat, weshalb Perlenketten aus Engelsbach ihren Preis haben.

In Ohrdruf war Johann Sebastian Bach einige Jahre zu Hause, nachdem er mit neun Jahren Vollwaise geworden war. Sein 13 Jahre älterer Bruder Johann Christoph, der Organist in Ohrdruf war, übernahm seine Erziehung. In Ohrdruf kann der Tobiashammer mit einer der größten Dampfmaschinen (12.000 PS) der Welt sowie von Wasserrädern angetriebene Hammerwerke besichtigt werden.

Olympiastützpunkt Oberhof 

Hier trainieren die Spitzensportler des Wintersports. Die 1979/1980 erbaute Große Sprungschanze wurde besichtigt. Zur Startposition führen 625 Stufen; es gibt aber auch einen Aufzug für die Skispringer. Mit Interesse wurde der Bobbahn mit ihren 14 Kurven und der Ski-Arena ein Blick gegönnt. Die erste Bobbahn und die erste Skisprungschanze wurden 1906 eingeweiht. Der Schanzenredkord liegt bei 147 Meter. Bei unserem Besuch macht der Ort einen verschlafenen Eindruck, der erst im Winter zu richtigem Leben erwacht. Nach Erfurt und Weimar ist es der meist besuchte Ort in Thüringen. Er lebt einzig und allein vom Tourismus. Im Sommer kann man hier gut wandern.

Der 169 km lange Rennsteig, ein historischer Wanderweg über den Kamm des Thüringer Waldes, berührt auch Oberhof. Ein Radwanderweg wurde neben dem Rennsteig angelegt.

Frauenwald ist der älteste Ort am Rennsteig. Er ist aus einer Ansiedlung von Nonnen entstanden. Hier kann ein Führungsbunker der ehemaligen DDR besichtigt werden, der denen ähnlich sieht, die es im 2. Weltkrieg gab. Im Kriegsfall sollte hier die Bezirkseinsatzleitung des Bezirkes Suhl Schutz finden. Während des Kalten Kriegs erbaut, verfügte der Bunker über modernste Nachrichtentechnik, eigene Stromversorgung, Fernschreiber, mobile sowie stationäre Funktechnik und weitere Kommunikations- und Lebenserhaltungseinrichtungen. Die Tarnung war nahezu perfekt; die hier stationierte Mannschaft war in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Sechs bis acht Tage konnte nach einem Atomschlag oder dem Einsatz chemischer Waffen im Bunker überlebt werden. Türen und Schleusen mit  den erforderlichen Schutzkleidungen, Entaktivierungsanlagen zur Sicherung der Atemluft, dazu Ventilatoren, Filter und eine separate Sauerstofferzeugung können im Original besichtigt werden. Die Stromversorgung für die Nachrichtentechnik war durch Batterien, Umformer und eine eigene Notstromversorgung gewährleistet. Der 3.600 qm große Bunker mit dem Tarnnamen „Trachtenfest“ ist einmalig in Ausstattung und Funktionstüchtigkeit.

Das Waffenmuseum Suhl zeigt die fast 600jährige Geschichte der Suhler Fertigung von Handfeuerwaffen. Die Entwicklung der einzelnen Handfeuerwaffenarten von der Hakenbüchse bis zum modernen Gewehr wird hier dokumentiert. Insbesondere Suhler Jagdwaffen waren lange Jahre ein Begriff in der Welt. In der kleinen Rüstkammer werden Suhler Prunk- und Luxuswaffen gezeigt, die an die Herrscherhäuser nicht nur in Europa gingen.

Südöstlich von Eisenach erstrecken sich die Hörselberge, in deren Nähe sich ein ausgedehnter Buchenwald – der Hainich – befindet. Am 25. Juni 2011 wurde der Hainich zum Weltnaturerbe erklärt. Der Hainich ist ein ehemaliger Truppenübungsplatz, der seit über 40 Jahren nicht benutzt wurde, so dass sich die Bäume ungestört entwickeln konnten. In den Hörselbergen existiert eine ganze Reihe von Höhlen, um die sich viele Sagen ranken. Hier soll die germanische Fruchtbarkeitsgöttin Hulda geherrscht haben, die bei den Gebrüdern Grimm zu Frau Holle wurde. Weltberühmt wurde die Venushöhle durch die Oper „Tannhäuser“ von Richard Wagner.

Dem Städtchen Arnstadt, bis zum 18. Jahrhundert die Residenzstadt der Grafen von Schwarzburg, galt ein weiterer Besuch

Von 1703 bis 1707 war Johann Sebastian Bach Organist an der Neuen Kirche in Arnstadt, damals noch nicht berühmt. Für seine dritte Frau Anna Magdalena komponierte er das Lied „Willst du dein Herz mir schenken, so fang es heimlich an“.

Weiter ging es zur Blumenstadt Erfurt mit der Severikirche und dem Dom, in dem sich die berühmte Glocke „Gloriosa“ (1497 gegossen) befindet, die nur dreimal im Jahr geläutet wird; zu Ostern, zu Pfingsten und zu Weihnachten. Gleich neben dem Domplatz liegt die Zitadelle Petersberg, die von 1665 bis 1707 errichtet wurde. Sie ist die einzige erhaltene barocke Stadtfestung Europas. In der Altstadt und am Anger finden sich zahlreiche mittelalterliche Bürger- und Handelshäuser im Renaissance-Stil, wie das Haus zum Roten Ochsen oder das Haus zum Stockfisch. Die Kurmainzische Statthalterei ist heute Sitz der Staatskanzlei. Ein bedeutendes Barockbauwerk ist die Waage. Der Anger war früher die Gemeindeweide, später Handelsplatz und ist heute die Haupteinkaufsstraße von Erfurt. Über 20 gotische Pfarrkirchen prägen das Bild der Stadt. Im 1277 erbauten Augustinerkloster lebte von 1505 bis 1511 Martin Luther; 1507 wurde er im Dom zum Priester geweiht. Heute ist das Kloster eine internationale Begegnungsstätte.

Krämerbrücke Erfurt

Die bekannte 120 Meter lange Krämerbrücke überspannt die Gera und ist mit 32 bewohnten Häusern bebaut. Nach mehreren Bränden wurde sie 1325 aus Stein erneuert. Das neogotische Erfurter Rathaus am Fischmarkt wurde 1870 bis 1874 errichtet. Im Treppenaufgang befinden sich zahlreiche Wandgemälde mit Szenen aus der Erfurter und der Thüringer Geschichte. Gleich neben dem Rathaus steht das Haus zum Breiten Herd mit seiner reich verzierten Renaissance-Fassade. Es gibt in Erfurt zahlreiche Museen und den flächenmäßig größten Zoo Deutschlands. Blumen- und Saatzucht sind nach wie vor ein bedeutender Wirtschaftszweig in Erfurt. Daneben werden Bier, Malz, Milch, Käse,  Kondome, Solarzellen und Chips in Erfurt produziert.

Auch zahlreiche Medienunternehmen haben sich hier angesiedelt. Der größte Arbeitgeber ist das 1880 gegründete Klinikum Erfurt, das heute zu den Helios Kliniken gehört.

Im ehemaligen „Erfurter Hof“ fand 1970 das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph statt  

Am nächsten Tag wurde Gotha besucht, von 1640 bis 1918 die Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Gotha war. Bekannt wurde die Stadt durch die 1820 gegründete Gothaer Versicherung und den Perthes-Verlag, in dem Landkarten hergestellt wurden. Schloss Friedenstein ist der größte frühbarocke Feudalbau in Deutschland und war die Residenz der Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Coburg und Gotha. Es wurde entsprechend dem Kalender gebaut und hat 365 Fenster, 12 große und 50 kleine Bögen. Das Schlosstheater ist das älteste der Welt mit einer funktionierenden Bühnentechnik aus dem 17. Jahrhundert. Königin Victoria von Großbritannien heiratete am 10. Februar 1840 Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Das Schloss ist umgeben von dem ältesten Englischen Garten auf dem Kontinent. In der historischen Altstadt von Gotha sind am Markt zahlreiche Patrizierhäuser zu sehen.

Anschließend wurde durch Bad Langensalza spaziert, einem Thermalsole- und Schwefelbad mit prachtvollen Bürgerhäusern im Barockstil, die das Bild der Stadt prägen. Hübsch anzusehen war auch das Friederikenschlösschen, das 1751 für die Herzoginwitwe Friederike von Sachsen-Weißenfels erbaut wurde. Bei strahlendem Sonnenschein war es eine besondere Freude durch die Parkanlagen mit dem Rosengarten und dem Japanischen Garten zu flanieren. In der Altstadt am Fuß der Marktkirche in gotischem Stil mit ihrem 81 Meter hohen Turm wurde eine Kaffeepause eingelegt. Von Bad Langensalza aus ist der seit dem 25. Juni 2011 als Weltnaturerbe ausgewiesenen Buchenwald des Hainich mit dem Bus leicht zu erreichen.  Nach Ende des Rundgangs in Bad Langensalza ging es zurück ins Berghotel nach Friedrichroda. Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen vom Thüringer Wald.

Edelgard RichterEin Beitrag für ReiseTravel von Edelgard Richter / Dela Press.
 

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