Höxter

Zwischen Weser und Teutoburger Wald, Auszeit in der Klosterregion: Ferien für die Seele

Unterwegs im Klosterland: Bestimmt gibt es wuchtigere Klöster, die Besuchererwartungen an imposante Gemäuer erfüllen. Trotzdem würde ein Ostwestfale feststellen: „Kannste nix von sagen!“

Weil nirgendwo in Deutschland mehr Klöster auf engstem Raum stehen wie in der Region Höxter.

Was lange fehlte, war ein überschaubares, zielweisendes Wegenetz. Nun schlängelt sich zwischen Teutoburger Wald und Weserbergland eine 185 Kilometer lange Klosterroute zu den 28 Orten der Spiritualität. Sie stehen für tiefe Religiosität, sind Wallfahrts- und Veranstaltungsstätten, Besichtigungsobjekte, Herbergen und Hüter von Kunstschätzen. Deren Vernetzung war eine logische Folge des Ritterschlags für die ehemalige Reichsabtei Corvey zum Weltkulturerbe im Jahr 2014.

Kloster Hopping in Ostwestfalen

Kloster im modernen Ambiente: Abtei vom Heiligen Kreuz in Herstelle

Eine schnurgerade Allee führt zu dem Schmuckstück von Corvey, das nahe der Stadt Höxter Besuchermagnet im touristischen Neuland Ostwestfalen ist. Am Ende der Straße erhebt sich die fast 900 Jahre alte Abteikirche aus rotem Bruchstein mit ihren markanten Doppeltürmen. Das symbolträchtige Westwerk haben die Baumeister als imposanten Kirchenraum vor die Basilika gestellt.

Unter einem Torbogen wartet Josef Kowalski. „Früher siedelten hier heidnische Sachsenstämme. Ab dem 9. Jahrhundert war der Sitz von Benediktinermönchen dann Missionszentrum für die Verbreitung christlicher Religion in Nordeuropa“, empfängt der Klosterführer seine Gäste. Historiker nannten das Fleckchen Erde auch „westfälisches Pompeji“, eine Stadt mit 7000 Einwohnern, die 400 Jahre vor den Klostermauern existierte.

Das außen schlichte und wehrhafte, innen erhabene und würdevolle Welterbe sei ein Zeugnis karolingischer Baukunst und prägend für die abendländische Architektur gewesen. Erst der 30-jährige Krieg habe das Kloster bis auf das trutzige Westwerk zerstört, berichtet der Brigadegeneral a. D. weiter.

Beim Wiederaufbau im 17. Jahrhundert sei schließlich die barocke, schlossähnliche Anlage mit Kaisersaal, prunkvollen Wohnräumen und der Fürstlichen Bibliothek entstanden.

Kloster Hopping in Ostwestfalen

Restaurierte Fachwerkhäuser prägen das Bild der 1000-jährigen ehemaligen Hansestadt Warburg auf dem „Wartberg“

Irgendwann weckte der Bücherschatz auch das Interesse eines gewissen Herrn von Fallersleben. Als der Dichter des Deutschlandliedes nach Fürsprache seines Freundes Friedrich Liszt eine Stelle als Bibliothekar antrat, missfiel ihm sofort die „grauenhafte Menge an Romanen“, die der Germanist einen „Krebsschaden der Bibliothek“ nannte.

Das sollte sich ändern. Als Hoffmann von Fallersleben 1874 im Alter von 75 Jahren starb und neben der Abteikirche begraben wurde, hatte er nicht nur 550 Kinderlieder wie „Alle Vöglein sind schon da“ und „Ein Männlein steht im Walde“ geschrieben, sondern die Sammlung mit 74.000 wissenschaftlichen Werken und prachtvoll illustrierten Ansichtsbänden auch zu einer der kostbarsten Privatbibliotheken Deutschlands ausgebaut. Das rote Sofa, auf dem der guten Zigarren und edlen Rheingau-Tropfen nie abgeneigte Genussmensch oft und gerne ausruhte, ist Blickfang in dessen ehemaligen Arbeitszimmer.

Westfalen sagt man nach, sie seien Dickschädel, seien hartnäckig und streitbar. Dass dies hilfreiche Tugenden beim Ringen um einen Eintrag des Klosters in die UNESCO-Liste waren, will Kowalski nicht von der Hand weisen. Jedenfalls durfte er nach Anerkennung von Corvey als Weltkulturerbe viele von den bisher fast 200.000 Besuchern hinter die alten Mauern führen. Wenn Corvey, warum dann nicht auch andere Klöster zu Ausflugszielen aufrüsten, sahen Touristiker die Zeit für eine heilige Allianz in der Region gekommen, wo sich bislang nur Fledermaus und Hase Gute Nacht sagten. Zwar sind nicht alle Anlagen wie Corvey auch mit dem Schiff erreichbar, dafür sind sie mit übersichtlich beschilderten Radrouten verbunden.

Manchmal winden sich die Wege durch uralte Laubwälder der romantischen Hügellandschaft im Weserbergland. Am stimmungsvollsten ist eine Radtour am Morgen. Wie schlafgelähmt liegen dann die Wälder im Licht der frühen Sonne, nur ein paar kreischende Krähen flattern durch das Idyll.

Wer eine andere Landschaftsperspektive bevorzugt, nutzt bei Corvey den beschaulichen Wasserweg auf der Weser für einen Ausflug nach Beverungen-Herstelle. Wo sich im Dreiländereck NRW, Hessen und Niedersachsen treffen, thront über dem Fluss die Benediktinerinnen-Abtei vom Heiligen Kreuz. Seit 120 Jahren leben an diesem Platz der Stille Benediktinerinnen ihren Glauben.

Der moderne Neubau und gut sortierte Souvenirladen neben der Bartholomäus-Kirche wirkt zunächst befremdlich auf Besucher, die hier Alltag und Kommerz entfliehen wollen.

Auf den ersten Blick erinnert nichts an „ora et labora“. Die Zimmer sind zweckmäßig eingerichtet, das Frühstück ist überschaubar und ausreichend. „Unsere Gäste sollen hier zur Ruhe kommen“, sagt Schwester Lucia. Biblische Veranstaltungen seien ein unverbindliches Angebot, jeder solle im klösterlichen Lebensrhythmus seine Spiritualität entdecken.

Manchmal öffnen sich ganz tief in der Seele verschlossene Kammern oder längst verschwommene Bilder gewinnen wieder Konturen, glaubt die Benediktinerin. Manch einem Pilger mag es da schon genügen, jene Atmosphäre und Reduziertheit eines Tages zu erleben, wie sie ihn in unbekümmerten Jugendjahren in Landschulheimen begleitet hat.

Bei einem Spaziergang durch den Klostergarten und über den alten Friedhof bekennt die gelernte Apothekerin und Theologin, dass sie und ihre 37 Mitschwestern einen Weg gewählt haben, auf dem sie zwar freiwillig auf manches verzichten – aber verzichten, um das Wesentliche zu gewinnen.

Fotografien in einem Mini-Museum zeigen aber auch, dass viele Klöster wie vor der Säkularisation wieder ertragreiche Wirtschaftsbetriebe sind und von Nonnen und Mönchen mehr verlangt wird, als andächtig auf einer harten Bank zu beten. Die Bilder dokumentieren eine stets dem Gottesdienst nachgeordnete Glaubenswelt mit Pflichten im Maschinenraum, in der Seifenmanufaktur, Küche oder Kerzenwerkstatt, im Büro, Garten oder Souvenirladen.

Am Weserufer verläuft die Ferienstraße weiter zu den Koptischen Christen (Kopte = Ägypter) in Brenkhausen. Vor der ehemaligen Klosterruine, die von der koptischen Gemeinde renoviert wurde und nach Corvey zweitliebstes Ausflugsziel für Touristen ist, winkt Anba Damian seine Gäste heran. Im Refektorium des Kopten-Klosters bittet der Mann mit grauem Rauschebart und einem Kreuz aus Ziegenleder um den Hals an eine Kaffeetafel.

Kloster Hopping in Ostwestfalen

Kopten Bischof Anba Damian führt in der renovierten Klosterruine in Brenkhausen ein offenes Haus für Gäste und Touristen

Der höchste Repräsentant der koptisch-orthodoxen Kirche spricht über Flüchtlinge, denen man nicht mit dem Gesetzbuch, sondern mit Herz und Verstand begegnen solle und meint, dass Muslime zwar zu Deutschland gehören, die Lehre des Islam aber dem Grundgesetz widerspreche. Vor 1.000 Jahren lebten in Ägypten noch 50 Prozent Christen. Heute seien Kopten eine Minderheit und gelten als Bürger zweiter Klasse, berichtet der Bischof. Häufige Gewaltakte gegen seine Kirchenbrüder würden von Ägyptens Sicherheitskräften nur unzureichend oder gar nicht geahndet.

Letzte Ausfahrt Marienmünster. An einem See ragen weithin als sichtbare Zeichen des Glaubens die Türme der Abtei in den Himmel und lassen keinen Zweifel an der richtigen Fahrtrichtung. Frühere Schaf- und Pferdeställe in der barocken Anlage sind heute gefragte Location für Hochzeits- und Geburtstagsfeien, andere Gebäudeteile dienen für Konzerte und Theater. Die Verwandlung des einst von 12 Corveyer Mönchen gebauten Sühneklosters in ein „Kloster der Klänge“ lässt die Kassen klingeln. Schon wenige Monate nach dem Umbau der ehemaligen Wirtschaftshöfe durfte die Kulturstiftung drei Kreuze machen: Bildungs- und kulturbeflissene Gäste kommen regelmäßig mit dem Rad, in Wanderschuhen oder Autos zu den Klosterfestivals mit Instrumental- und Chorkonzerten.

Kloster Hopping in Ostwestfalen

Konzerte und Festivals geben jedes Jahr den Ton in den Sälen des Klosters Marienmünster an

Doch auch wenn die prächtige Barockorgel schweigt, sollten Reisende diesen Knotenpunkt der neuen Klosterroute nicht links liegen lassen. Zum einen, weil in dem multimedialen Informationszentrum Besucher durch gezieltes Betreten einer auf den Boden projizierten Landkarte Filme über Vergangenheit und Gegenwart der Klöster abrufen können. Andererseits, um sich im historischen Klosterkrug weltlichen Genüssen wie Mönchsspieß, Wildschweinsülze oder Westfalenkrüstchen hinzugeben.                        ReiseTravel Service

Anreise: Mit der Bahn zum Sparpreis ab 17,90 Euro. Auskünfte im Internet: www.kreis-hoexter.de - www.klosterregion.de Alle beschriebenen Klöster sind für Besucher geöffnet. Info-Broschüren, Kartenmaterial und Auskünfte zum Fahrrad- und E-Bike-Verleih gibt es bei den oben genannten Adressen.

Unterkünfte zum Beispiel in der Abtei vom Heiligen Kreuz in Herstelle www.hotel-klosterkrug.com

Eine stimmungsvolle 850-jährige Klostergeschichte atmet das Hotel Schloss Gehrden. www.schloss-gehrden.de

In Warburg: Das „Alt Warburg Hotel“ www.alt-warburg.de  Privatzimmer  www.warburg-touristik.de

Westfälische Spezialitäten: „Blindhuhn“ ist ein Eintopf ohne Huhn, der mit Schinken oder Speck, Kochäpfeln und - birnen sowie weißen Bohnen auf den Tisch kommt. Das Gericht heißt Blindhuhn, weil selbst ein blindes Huhn in dem Eintopf etwas Gutes finden muss. „Pfefferpothas“ nennt sich ein deftiger Eintopf aus zartem Rundfleisch und Zwiebeln. „Hasenpfeffer“ ist ein Ragout aus Hasenklein.

Veranstaltungen: www.kulturland.org

Literatur: Der Reiseführer „Kulturland Kreis Höxter“ gibt auf 192 Seiten mit Fotos, Karten, Rad- und Wanderrouten sowie Adressen kompakte Informationen über die Region. ISBN 978-3-89920-833-7. Preis 9,99Euro.                                                                                                                                              

Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Manfred Lädtke.

Manfred Laedtke Unser Autor lebt und arbeitet in Karlsruhe.

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