Lima

Eine touristische Annäherung, für Fortgeschrittene (altersmäßig gemeint), eines (Welt) Reisenden!

Traumziele: Meine ersten Weltreisen nach Neuseeland, Burma oder China in den 80-ern: Ich möchte sie nicht missen. Die Vorbereitung war mühsam, kurzfristige Änderungen gab es andauernd und Schikanen an den Grenzen ebenso. Gut, die unverblümte Aufforderung in Thailand durch einen Zöllner am Flughafen, doch „seinem“ örtlichen Fußball-Klub (sofort) als zahlendes Mitglied beizutreten, gehört wohl zu den harmloseren Hürden. Die Wichtigtuerei der Einreise-Behörden in den USA inzwischen schon zu den unangenehmeren. Und weil es nicht immer der allerschnellste Direktflug sein musste, war oft Platz für lange Beine oder große Hintern in halb vollen Maschinen: längst vorbei.

Traumziele in Südamerika

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Sommer, Sonne, Lifestyle: Copacabana

Das Zusammenbasteln des Programms vor Ort brachte zumeist deutliche Ermäßigungen, auch währungsbedingt. Die wenigen „konkurrenzierenden“ Reisebüro-Gruppen beobachteten wir grundsätzlich herablassend, obwohl an deren Reiseleiter-Schilderungen lauschend - als geduldete Schmarotzer. Die gruppendynamischen weiter-weiter-auf geht’s-Parolen beim Frühstück und an der Hotelrezeption waren nervig, betrafen uns aber unter diesen Umständen ja nie persönlich.

Südamerika on tour

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Rund 30 Jahre später entwickelten dann zunächst Studienreisen-Veranstalter eine neue Umgangsform - mit halbtätigen Pausen u. a. für die Klimaanpassung, regelmäßigen Alternativ-Vorschlägen etwa für besonders Sportliche, Kulturfreaks oder für Anhänger der ganz leichten Muse. Geschuldet vor allem den geänderten Ansprüchen der zahlenden Kundschaft: Sie wollte ganz einfach die Vorteile der Reiseformen „pauschal“ oder „individuell“ gemeinsam haben.

Ob das funktioniert?

Das sollte ein Eigenversuch in Südamerika am Beginn der Regenzeit klären.

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In der Rubrik „Höhepunkte - ideal für ein erstes Kennenlernen in 18 Tagen“ eines klassischen Studienreise-Anbieters hier in München werde ich fündig. Ich buche sein Basis-Paket und schon geht es los nach Lima. Die frühere Hauptstadt von ganz Südamerika bietet sich als Ausgangspunkt an: Ein riesiges Drehkreuz für internationale Flüge und ein guter Platz, um sich mit der Kultur und Lebensweise dieses gewaltigen Kontinents ein erstes Mal auseinanderzusetzen - nicht allzuweit vom Äquator entfernt.

Bei rund 11 Millionen Einwohnern ist ein ortskundiger Reiseleiter jedenfalls hilfreich, zumal die Klima- und Zeitumstellung den Kreislauf schon durcheinanderbringen kann. Beim ersten Rundgang vom Plaza Major aus sieht man koloniale Prachtbauten wie die Kathedrale oder den Erzbischöfliche Palast mit wunderschönen Holz-Schnitzereien. Das Archäologische Museum gewährt spezielle Einblicke in die wichtigen Vorläufer der Inka-Kultur. Der Stadt-Gründer Francisco Pizarro eroberte von dieser strategisch günstigen Gegend aus ab 1532 etwa die Hälfte des Kontinents. Hauptmotiv war die Suche nach dem sagenhaften Goldschatz der Inkas. Edelmetalle in Hülle und Fülle gab es an vielen Orten genauso wie Diamanten. Unglaubliche Mengen von Gold und Silber wurden verschifft - immerhin Ursache für eine erste Hyper-Inflation in Europa.

Als weitere Geldquelle erwiesen sich Holz und Zuckerrohr aus Brasilien, eingeführt von den dortigen adeligen Lehensherren portugiesischer Abstammung. Indirekt auch die „Einfuhr“ vieler Sklaven aus Afrika. Weit mehr Opfer als die zahllosen kriegerischen Auseinandersetzungen forderten allerdings von Europäern eingeschleppte Krankheiten wie Pocken, Masern oder Malaria.

Auch Terrorgruppen wie der „Leuchtende Pfad“ stoppten die Weiterentwicklung z. B. in Peru. Der Nobel-Stadtteil Miraflores in Lima als erste Hotel-Station (mit eigenem Strand) bietet eine komfortable Unterkunft in neuen Häusern überregionaler Hotelgruppen und hilft bei der Akklimatisierung nach 12 Stunden Flug ab Europa.

Mehr gehupt als in Lima wird übrigens sonst nirgendwo: Auch die ganze Nacht durchgehend ohne Pause. Man gewöhnt sich aber dran.

Die unglaubliche Verkehrsdichte auf bis zu 10 Spuren nebeneinander hat auch überraschende Vorteile: Denn die Zahl der Banküberfälle im Zentrum ist seit den 90-er Jahren um 70% zurückgegangen. Angeblich wegen ungeeigneter bzw. fehlender Fluchtwege - ist ja irgendwie logisch zumindest für alle, die hier einmal eine Hauptstraße zu Fuß überqueren mussten.

Bei der Korruptionsbekämpfung gibt es noch Probleme: Zuverlässige Quellen berichten, dass man hier fehlende Führerscheine kaufen kann - und zwar gleich direkt bei der Polizei. Die allgemeine Sicherheit im Großteil von Peru ist auf einen von Bill Gates gespendeten Satelliten zurückzuführen, der u. a. ein erstklassiges Funknetz und viele Gratis-Laptops für Schulen gebracht hat. Und wirksame Überwachungsmöglichkeiten.

Eine gute Stunde dauert nun der Flug in die Inka-Hauptstadt Cusco. Vor allem der goldene Altar in seiner Kathedrale zeugt vom unglaublichen Reichtum seiner Ureinwohner.

Neuankömmlinge wurden mit dem Spruch: „Lüg´ nicht, stiehl nicht, sein nicht faul“ begrüßt. Francisco Pizarro hielt sich leider nicht daran und zerstörte diese Hochkultur aus reiner Habgier.

Ihre Festungsbauten wie z. B. Sacsayhuamán aus bis zu 12-eckigen Felsbrocken überstanden ein halbes Jahrtausend ohne wesentliche Veränderungen, weil die 50-100 Tonnen schweren Felsblöcke in 70 Jahren Bauzeit ohne Mörtel aufeinander geschoben wurden.

Im Bild vom heiligen Abendmahl in der Kathedrale von Cusco befindet sich eine bis heute aktuelle Lieblingsspeise der Landbevölkerung: Gegrillte Meerschweinchen. Wie es unbemerkt auf einen großen Teller gekommen ist, weiß man nicht.

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Die nahe Gebirgsstadt Machu Picchu erreicht man nur mit einer Schmalspurbahn - sehr romantisch durch das Urubamba-Tal am Fuße der Anden. 1911 entdeckt, dürfte es in der 2. Hälfte des 16. Jhdt. vermutlich beim Eindringen der Spanier einen Baustopp gegeben haben. Es war wohl ein spirituelles Zentrum mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und vielen, dem Sonnengott geweihten Jungfrauen. Weil es aus der Inka-Zeit keinerlei schriftliche Aufzeichnungen gibt, bleibt die wahre Geschichte der terrassenförmigen Siedlung für ca. 1500 Bewohner ein Rätsel. Erst 1867 entdeckten Landvermesser Teile des Inka-Trails - heute die bekannteste, nur mit Bergführern zugelassene 3-Tageswanderung in Südamerika mit dem Endziel Machu Piccu.

Hunderte Kilometer verläuft das Hochtal jetzt bis zur bolivianischen Grenze - gesegnet ist, wer in einem Reisebus neuer Bauart sitzt.

Immer wieder tauchen Hunde wie aus dem Nichts am Straßenrand auf: Sie wissen, dass Knochenreste mitgeführter Fleischmahlzeiten aus vorbeifahrenden Bussen (normalerweise) aus dem Fenster geworfen werden. Passübergänge auf der „Altiplano“ wie der Abrala Raya mit 4.350 m Seehöhe führen bei schnellen Bewegungen ggf. zur Schnappatmung. Der Reiseleiter empfiehlt „Hineinhören in den eigenen Körper“ und erzählt zur Ablenkung, dass die Lungen der hier lebenden indigenen Bevölkerung einen Liter mehr Blut, als die der „Stadtbewohner“ drunten im Tal zur Verfügung haben und die Höhenkrankheit deshalb für sie kein Problem ist. Mit der Grenzstadt Puno weiter in Richtung Chile als Zentrum des überregionalen Schmuggels erreicht man dann den Titicaca-See auf 3.800 m Seehöhe, der höchste weltweit. Mit seiner Abmessung von 174 mal 64 Kilometern beeinflusst er sogar das Micro-Klima und ermöglicht den einheimischen Taquile-Indianern das ganze Jahr eine ergiebige Landwirtschaft. Berühmt ist der See an der Grenze nach Bolivien vor allem wegen seiner schwimmenden Inseln, auf denen knapp 2.000 Ureinwohner leben und gegen Gebühr erklären, wie man hier mit stürmischer See oder Winter-Einbrüchen umgeht. Mehr als 12 Grad hat er nie, dafür aber 3 endemische Fischarten, dies es wirklich nur hier gibt. Für besonders misstrauische Menschen wird ein Loch in die Binsen gebohrt und schon ist das Wasser da.

In vier Busstunden erreicht man nun La Paz: Die Hauptstadt Boliviens ist eigentlich Sucre, hat aber gegen La Paz mit gut zwei Millionen Einwohnern keine Chance, weil inzwischen sogar die Regierung von Sucre dorthin gezogen ist ... übrigens eine bewährte Falle für Kreuzworträtsel-Anfänger. Über den Dächern schwebt kreuz und quer eine Gondelbahn mit 32 Stationen, die allererste ihrer Art. Der Erfolg als rasantes Nahverkehrsmittel mit atemberaubender Aussicht garantiert einem österreichischen Lift-Hersteller rund um die Welt unendliche Absatz-Möglichkeiten, weil es ganz einfach funktioniert.

Weltweit führend ist La Paz auch bei städtischen Interessensvertretungen: Sowohl die größte Kinder-Gewerkschaft als auch jene für Behinderte sind hier zu Hause. Und nur in Bolivien ist ein Drittel des Militärs weiblich.

Ein weiterer Rekord ist die Seehöhe des Flughafens am Stadtrand: 3.600 Meter. Sicherheitshalber ist die Startbahn doppelt so lange wie anderswo. Beim Weiterflug in die argentinische Hauptstadt geht es demnach zügig bergab - bis auf 100 Meter Seehöhe, ein weiterer Kreislauf-Test. In der (sehenswert) modernen Stadt mit kolonialem Zentrum herrscht Hupverbot - herrlich. Auf den 12 Spuren der Stadtautobahn gibt es sowieso weniger Gedränge. Die Mütter während der Militärdiktatur verschleppter Töchter und Söhne umrunden als Ausdruck der Trauer immer noch regelmäßig den Plaza de Mayo. Auch die Geschichten vom Tauschhandel mit verschleppten Leichen prominenter Peronisten sind tragisch-gruselig. Jetzt und heute verwundert die Unbeliebtheit des aktuellen Papstes aus Buenos Aires in seiner Heimat: Er soll in Geldwäsche-Affären des Vatikans via Schweiz verwickelt sein.         

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Die unzähligen Tanz-Shows in der Tango-Metropole sind arg touristisch, aber trotzdem sehenswert. Rund um das riesige Delta des Rio de La Plata in Sichtweite werden Bootsfahrten vorbei an hübschen Wochenendhäusern von reichen Städtern angeboten.

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400 Kilometer weiter nördlich grüßen die knapp 300 Wasserfälle von Iguazú mit unglaublichem Getöse, wenn sie 80 Meter tief in die „Teufelsschlucht“ stürzen - auf einer Gesamtbreite von gut zwei Kilometern. Auf dem Wanderweg auf argentinischer Seite wird man von neugierigen Nasenbären bedrängt.

Auch die brasilianische Seite ist sehenswert, die Grenze verläuft mitten durch das Wasser, auf dem extrem feuchte Bootsfahrten eine zusätzliche Perspektive eröffnen.

Jetzt fehlt nur noch Rio de Janeiro als würdiger Abschluss. Für die Seilbahnfahrt auf den Zuckerhut genauso wie für die Strecke mit der Zahnradbahn auf den gegenüber liegenden Corcovado inklusive Blick auf die Stadt mit Buchten wie Copacabana oder Ipamena ist das Attribut „atemberaubend“ angemessen.

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Das Wahrzeichen der Stadt, der Cristo Redentor mit den 18 Meter weit ausgebreiteten Armen, versinkt - sinnbildlich gesprochen - allerdings im Geschnatter und Ellbogen-Gedränge chinesischer Touristen.         

Auf dem Rückflug über Sao Paulo nach Frankfurt über Nacht entsteht im Kopf - irgendwie vollautomatisch - eine erste Zusammenfassung: Vier durchaus unterschiedliche Länder von klein bis riesig (Brasilien mit seinen 200 Millionen Einwohnern) von ganz niedrig bis zu den Gletschern der Anden (über 6.000 Meter hoch) mit interessanten Begegnungen (Heime für Straßenkinder in La Paz) origineller Küche (z. B. gegrillte Meerschweinchen) bis hin zu den nachdrücklich-prachtvollen Spuren der Kolonialgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen (z. B. die Ausbeutung der Bevölkerung beim Abbau von Gold, Silber, Diamanten und Zinn) - dafür lohnt sich der Aufwand jedenfalls.

Mein Tipp: Bei gut überlegter Vorgangsweise auf einer Fläche von rund 7.500 mal 5.000 Kilometern sind 18 Tage für ein erstes Kennenlernen lehrreich, beeindruckend und weitgehend stressfrei. Für jedes Alter. Até logo - bis zum Wiedersehen!    

Reise-Angebote Südamerika z. B. von Studiosus www.studiosus.com

Ein Beitrag für ReiseTravel von Theo Reisner, teo-redaktionsbuero.com

Unser Autor lebt bei München.

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