Volker Tschapke

Johann-Wolfgang von Goethe in Preußen

Sehr geehrte ReiseTravel User, verehrte Freunde der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg: Dreierlei steht mir Sinn, Sie mit einem Wort unseres Nationaldichters Johann-Wolfgang von Goethe zu begrüßen.

Zum ersten: weil er sich intensiver und anders als wir Heutigen mit dem Orient beschäftigte und zu dem Schluss kam: „Wer sich selbst und andere kennt, Wird auch hier erkennen: Orient und Okzident Sind nicht mehr zu trennen.“

Zum zweiten, weil er vor 230 Jahren nach Berlin kam.

Und schließlich, weil das Zitat bedenkenswert ist.

Was verkürzt mir die Zeit?

Tätigkeit!

Was macht sie unerträglich lang?

Müßiggang!

Was bringt in Schulden?

Harren und Dulden!

Was macht Gewinnen?

Nicht lange besinnen!

Was bringt zu Ehren?

Sich wehren!

Johann Wolfgang von Goethe im West-östlichen Divan

Alea iacta est. Der erste Volksentscheid in der Berliner Geschichte ging leider nicht zugunsten der Initiatoren aus, die ein Offenhalten des innerstädtischen Flugplatzes Tempelhof erreichen wollten. Das ist zugleich eine empfindliche Niederlage für den ohnehin nicht gerade populären Oppositionsführer Pflüger (CDU) und für die ihn unterstützende Parteifreundin und Bundeskanzlerin Merkel. Geradezu undemokratisch und peinlich ist, dass Pflüger nach der Abfuhr erklärte: „Das ist ein toller Sieg!“

Womit er nicht die tatsächlichen Gewinner, sondern die Verlierer meinte.

Glaube keiner, dass sich nur Berliner Obrigkeiten nahezu bar jeder historischen Kenntnis und damit bar fast jeglichen ästhetischen Empfindens auszeichnen. Jedem ordentlichen Preußen sträuben sich die Haare im Gedanken daran, was rund um das Hohenzollernschloss am Ufer der Spree geschehen soll: Nach Hick und Hack sowie mit merkwürdigen Finanzierungsvorstellungen (Boddien) wird ein schlossähnliches Etwas mit drei historischen Fassaden und einer für neumodische Architekten freigegebenen vierten Außenseite emporgewuchtet. Als erklärte Gegner nicht etwa eines Schlossneubaus, sondern dieses fragwürdigen Projekts sehen wir Preußen uns gemeinsam mit Annette Ahmes Gesellschaft Historisches Berlin und anderen in historischer Mission: Rettet das Schloss vor Banausen!

Der Aberwitz setzt sich – Gott sei’s geklagt – im benachbarten Potsdam beim vermeintlichen Schlossneubau fort, in dem der Landtag ein neues Domizil erhalten soll. Stadt-und Landes-Stiefvaters Vorstellungen lassen grausen. Sie wollten Wischiwaschi: „Außenseitig werden Putz- und Fassadengliederungsflächen nach historischem Vorbild vorgenommen. Bei Etagenerweiterung von West- und Ostflügel sind deren Außenseiten an den Putz- und Fassadengliederungsflächen des historischen Vorbilds weitestgehend zu orientieren.“ Wen verwundert, dass SPD Finanzminister Speer (DDR-Zeit: Leiter eines FDJ-Jugendklubs) Schlossfassaden als unzeitgemäß und vordemokratisch ansieht.

Seine „Machbarkeitsstudie“ löste bei Experten Entsetzen aus: Moderne Innenfassaden sprengen die alte Kubatur. Gepfiffen wird auf den Grundsatz im Barock, dass Innen- und Außenfassade gleichbedeutend sind. Der Kunstkenner Speer sieht in der Kombination von außen alt und innen modern ein Ideal demokratischer Symbolik. Glücklicherweise hat Software-Unternehmer Hasso Plattner eine Spende von 20 Millionen Euro mit der Auflage verbunden, dass der Landtagsneubau die historische Stadtschloss-Fassade erhält. Trotzdem spricht der jüngste Beschluss des Landtages vom 10. April 2008 nicht absolut von einer Wiederherstellung der historischen Fassaden, sondern lediglich von einer größtmöglichen Widerannäherung. Mäzen Plattner sollte Obacht geben: Die Formulierungen „größtmöglich“ und „Widerannäherung“ lassen mancherlei böse Überraschungen zu.

Lassen Sie mich bitte ein Wort zur Toleranz sagen, die spätestens seit dem Edikt des Großen Kurfürsten von 1685 zu den großen Tugenden der Preußen gehört – oder gehören sollte. Heute noch zitiert wird das „Toleranzedikt“ von Friedrich dem Großen: „Hier mus ein jeder nach seiner Fasson Selich werden.“ Sein Zeitgenosse Gotthold Ephraim Lessing, deutscher Dichter und Aufklärer, schenkte uns mit seiner Ringparabel im „Nathan“ dazu die literarische Fassung. Der aktuelle Katholische Erwachsenen-Katechismus definiert, wie ich meine nachvollziehbar: „Toleranz meint die Haltung eines Menschen, der andere respektiert, obwohl sie andere Meinungen und Überzeugungen vertreten.“ Die UNESCO formuliert: „Toleranz ist Harmonie über Unterschiede hinweg. Sie ist nicht nur moralische Verpflichtung, sondern auch eine politische und rechtliche Notwendigkeit. Toleranz ist eine Tugend, die den Frieden ermöglicht.“ Mich stimmt nachdenklich, wie viel Intoleranz und Unfreiheit dem anderen gegenüber tagtäglich zu erleben sind. In politischen wie in beruflichen und ganz persönlichen Bereichen. Wie geht beispielsweise zusammen, dass einerseits in Brandenburg mit dem Handlungskonzept "Tolerantes Brandenburg“ für eine starke und lebendige Demokratie geworben wird und andererseits ein Regierungsmitglied allen Ernstes die Vorstellung äußert, künftige Abgeordnete einer „Demokratie Überprüfung“ zu unterziehen. Lebt die DDR weiter? Wo bleiben Toleranz und damit verbundene Freiheit, wenn Trauer an und Pflege von Soldatengräbern nur politisch „Astreinen“ gestattet wird?

Nun also zu Goethe. Der Dichter traf am 15. Mai 1778 in Berlin ein, was die Vossische Zeitung getreulich, aber mit falschem Namen ihren Lesern mitteilte: Der in Sachsen-Weymarschen Diensten stehende Legationsrath Herr von Gade sei in der Residenz eingetroffen. Der Dichter kam nicht als Tourist an die Spree, sondern mit geheimer Mission: Er sollte für seinen Herzog die politischen An- und Absichten von Friedrich dem Großen erkunden. Leider hatte der Dichterfürst Pech; denn der König hatte fernab von Preußen mit Vorbereitungen des Bayerischen Erbfolgekrieges zu tun, der als Kartoffelkrieg in die Geschichte einging. Goethe nächtigte im Hotel de Russie in der Straße Unter den Linden. So sah Goethe die Linden, sah sich in der Stadt um, hörte in der Nikolaikirche eine Predigt von Propst Spalding und vergnügte sich im Komödienhaus beim Lustspiel „Der Nebenbuhler“ von Sheridan. Bei einem Diner mit Prinz Heinrich, dem Bruder des Königs, missfiel ihm, dass über den Friedrich arg gelästert wurde.

Die so sprachen, nannte er verächtlich „Lumpenhunde“. Sah er vor seinem Berlin-Aufenthalt, der nur zwei Tage währte, die Stadt als den gottlosesten Ort Europas an, schrieb er auf seiner Rückreise bei einem Aufenthalt in Potsdam an Frau von Stein: „Durch einen schönen Schlaf habe ich meine Seele gereinigt.“ Über die Berliner notierte er: „Man merkt, dass man mit der Delikatesse nicht weit reicht, weil ein so verwegener Menschenschlag dort zusammenwohnt, dass man Haare auf den Zähnen haben muss, um sich über Wasser zu halten.“

Sehr geehrte ReiseTravel User, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Den Geburtstagskindern preußisches Fortune und alles Gute im neuen Lebensjahr, den Erkrankten baldige Genesung

Pro Gloria et Patria

Gott befohlen

Volker Tschapke

Präsident Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg

Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. c/o Hilton Berlin

Mohrenstrasse 30, D-10117 Berlin, Telefon: 030 – 2023 2015, www.preussen.org

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