Wien

Gästehaus im Deutschen Orden

Zentral in Wien übernachten, ganz ohne Hektik und Stress: Zentraler kann man in Wien gar nicht wohnen. Das Gästehaus des Deutschen Ordens liegt einen Steinwurf vom Stephansdom entfernt. Man geht fast daran vorbei, denn der Eingang liegt in einem idyllischen Innenhof, einer Oase ohne Hektik und Stress. Zur Rezeption folgt man den Hinweisschildern in den zweiten Stock. Hier führt Martina Janoszek das Zepter. Die geräumigen Zimmer mit Parkett haben einen Fernseher, den man in einem Kloster nicht vermutet hätte. Die Gäste kommen hauptsächlich aus Österreich, Südtirol und Deutschland.

Wer mag, muss aber nicht, darf um halb sieben Uhr morgens an der Konventmesse und eine Dreiviertelstunde später am Konventgebet teilnehmen welche nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind.

So hat man sich das Frühstück verdient und kann gut vorbereitet den Tag beginnen. Für das Frühstück ist Schwester Bernarda zuständig. Es gibt ein Büffet mit Semmeln, Brot, Wurst, Aufstrich, Käse, Marmelade, Müsli und Obst. Schwester Bernarda ist die einzige Ordensschwester im Haus und der gute Geist im Kloster. Ihre Ruhe und Besonnenheit strahlen Kraft aus. Vom Gang aus zeigt sie den Blick auf das farbenprächtige Dachmuster des Stephansdoms. Nach dem Frühstück findet um neun Uhr die Heilige Messe für die Gottesdienstgemeinde der Ordenskirche St. Elisabeth statt, an der selbstverständlich auch die Gäste teilnehmen dürfen.

Wer im Gästehaus übernachtet, kann sich auch über die Geschichte des Ordens im Museum informieren. Während des 3. Kreuzzuges ins Heilige Land wurde 1190 die Stadt Akkon im Königreich Jerusalem belagert. Bürger aus Bremen und Lübeck gründeten, berührt von der Not der Kranken und Verletzten, ein Zeltspital. Nach Einnahme der Stadt Akkon erhielt das Hospital ein festes Haus, eine Kirche und auch Wohnhäuser kamen dazu. Aus diesen bescheidenen Anfängen entstand dann in den darauffolgenden Jahren der Deutschen Orden, oder genauer, der Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem. In dieser Zeit wurde der Orden auch neben der reinen Hospitalität um den Aspekt der Ritterlichkeit, zum Schutz derer, die sich nicht selbst schützen können, erweitert.

Der Orden erhielt bzw. erwarb bald Niederlassungen – nahezu m ganzen Mittelmeerraum, im Deutschen Reich und im Norden Europas Ritter, Priester, Laienbrüder und Schwestern verfügten in der Blütezeit über eine große Zahl an Hospitälern Kirchen, Burgen, Dörfern und Ländereien. Nachdem die Christen Ende des 13. Jahrhunderts das Heiligen Land aufgeben mussten, verlegte der Hochmeister seinen Amtssitz und damit den Hauptsitz des Ordens zunächst nach Venedig und dann schließlich 1309 nach Marienburg, von wo aus für fast dreihundert Jahre der Ordensstaat geführt wurde.  Grenzstreitigkeiten mit den benachbarten Herrschaftsgebieten und die verlorene Schlacht von Tannenberg 1410 läuteten den Niedergang des Ordens in Preußen ein. Durch die Säkularisierung des Ordensstaates Preußen endete 1525 das Wirken und die Präsenz der Gemeinschaft dort.

Es ist eine Besonderheit des Ordens, dass es nach der Reformation gelang drei Konfessionen in seiner Ritterschaft Heimat und Versorgung zu geben:  Katholiken, Lutheraner und Kalvinisten lebten nahezu gleichberechtigt miteinander im Orden. Im 17. und 18. Jahrhundert erlebte der Orden eine erneute Blütezeit, die jäh durch die Folgen der Französischen Revolution und den Enteignungen durch Napoleon beendet wurden.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde aus dem Deutschen Orden eine rein klerikale Gemeinschaft. Das war möglich, weil Erzherzog Eugen die Größe hatte, als Hochmeister zurückzutreten. Ein Priester, der damalige Bischof von Brünn, übernahm daraufhin die Ordensleitung. Ritter wurden nicht mehr aufgenommen. Die Nationalsozialisten verboten den Orden, doch nach Ende des zweiten Krieges gelang die Reorganisation des Deutschen Ordens. Heute bilden Priester, Laienbrüder, Schwestern, Oblaten und Familiaren den Orden. Im Wiener Konvent leben zurzeit 13 Ordensmänner – gut die Hälfte davon sind Novizen bzw. Theologiestudenten – und eine Ordensschwester. Familiaren, das sind in Welt und Beruf lebende Laien, fördern den Orden und unterstützen seine Werke mit Rat und Tat. Damals wie heute wird der Orden vom Hochmeister geleitet; in der gut 820 Jahre alten Geschichte des Ordens nahmen insgesamt 65 Hochmeister diese Funktion wahr.

Das Museum zeigt neben Gemälden, die die Geschichte des Ordens widerspiegeln, seltene Prunkstücke. Da gibt es eine Uhr, die den ganzen Kosmos zeigt. Diese filigrane Kostbarkeit aus Silber schuf der Augsburger Goldschmied Abraham II Drentwett gemeinsam mit dem Uhrmacher Caspar Hoffmann. Die Uhr zeigt neben der Zeit, Tage, Monate, den Stand der Sonne, des Mondes und der Planeten an. Zwischen den vielen Edelsteinen, die die Uhr schmücken, gibt es auffällig viele Türkise, die damals als Schutzstein galten. Die Uhr ist heute noch funktionstüchtig, aber um das Material zu schonen, wird sie nicht aufgezogen.

Etwas ganz Seltenes ist die Natternzungenkredenz, die um 1400 gefertigt wurde. Auf einem Sockel mit einem integrierten Salzfass steht ein Korallenzweig, an dem fossile Haifischzähne hängen. Sie wurden als Natternzungen bezeichnet und sollten Gift anzeigen, Arsen kann mit Salz leicht verwechselt werden. Bei Gift, so sagte man, schwitzen die Haifischzähne und warnten somit die Speisenden.

Zum Kloster gehört der kleinste Konzertsaal Wiens, in dem heute noch Konzerte aufgeführt werden. Tagsüber dürfen Künstler dort üben. Daher hört man im Innenhof oft klassische Musik, die einen verzaubert. Mozart hat hier drei Monate übernachtet und gespielt, als er für den Erzbischof Colloredo gearbeitet hat.

Der hohe Innenraum der Deutschordenskirche ist schlicht im hauptsächlich neugotischen Stil gehalten. Der spätgotische Flügelaltar vom Mechelner Künstler Jan van Wavere aus dem Jahre 1520, der ursprünglich für die Marienkirche in Danzig angefertigt wurde, kam erst im Jahre 1864 nach Wien. Auffallend sind die 80 Wappen an der Kirchenwand, es sind Aufschwörschilde, die die Ordensritter als Erinnerung an ihren Ritterschlag in der Kirche anbrachten. Von der Vorgängerkirche aus dem 13. Jahrhundert blieb nach verschiedenen Stadtbränden nur noch der schlanke Kirchturm erhalten.

Um halb eins ist das Mittagsgebet und danach kann man in dem Gartenrestaurant im Innenhof, das nicht zum Kloster gehört, eine Kleinigkeit essen und die Abgeschiedenheit und Ruhe inmitten der Stadt Wien genießen. Wer mag, kommt von seinen Streifzügen durch die Stadt für das Abendgebet um dreiviertel Sieben zurück ins Kloster. Danach kann mach sich wieder der weltlichen Anziehungskraft Wiens hingeben.

Deutsch-Ordens-Haus, Deutscher Orden, Singerstrasse 7, A-1010 Wien, Tel.: 0043-1-51210-65, gaestehaus@deutscher-orden.at - www.deutscher-orden.at

Übernachtung mit Frühstück EZ ab 62,00, DZ ab 95,00 Euro.

Eintritt in das Museum: 4,00 Euro

Wien Tourismus, Obere Augartenstraße 40, Tel.: 0043-1-211114-0, www.wien.info

 

Ein Beitrag für ReiseTravel von Gabi Dräger.

Gabi Dräger ReiseTravel 

Unsere Autorin Gabi Dräger zeichnet bei ReiseTravel verantwortlich für die Redaktion Hotels & Restaurants. Ihr Thema sind die Berge. Sie lebt und arbeitet in München.

 

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