Anatoly N. Tkachuk

Tschernbyl und seine Folgen sind noch immer ein brisantes Thema

Nach vielen Jahren bricht er jetzt sein Schweigen: In seinem Buch „Ich war im Sarkophag von Tschernobyl – der Bericht des Überlebenden“ erzählt er auf sehr persönliche Weise seine Geschichte. So entsteht ein fesselnder Bericht aus dem Innersten des atomaren Infernos, aber auch aus dem Innersten von Menschen, die das Überleben der Welt höher bewerten als das eigene.

Styria premium 

Im Zentrum des Buches steht diese Gratwanderung zwischen Wahrheit und Verschweigen, zwischen Tod und Überleben. Der Autor zeigt aber auch, wie Systeme in ihrem Selbsterhaltungstrieb die Wahrheit zu unterdrücken versuchen, wie Entscheidungsprozesse zwischen Verantwortungsbewusstsein und Bürokratie ablaufen; er gibt Einblicke in die Auseinandersetzung der Großmächte und zeigt die Diskrepanz zwischen Konferenztisch und dem Schauplatz der Schattenkämpfe auf.

Dieses Buch ist aber keineswegs nur eine Abrechnung mit der Vergangenheit. Im Gegenteil. Die Rückschau soll unseren Blick schärfen, für das, was jetzt getan werden muss, um die tickende Zeitbombe Tschernobyl in den Griff zu bekommen, um die Zukunft unserer Kinder zu sichern. Denn Tschernobyl brennt noch immer. Der auf 20 Jahre angelegte Sarkophag zerbröckelt, Europas Grundwasser ist gefährdet. Der Autor richtet einen leidenschaftlichen Appell an alle, sich der gemeinsamen Verantwortung bewusst zu werden.

Anatoly N. Tkachuk plädiert nicht für einen Ausstieg aus der Atomkraft, aber er weiß sich mit dem Friedensnobelpreisträger A. D. Sacharow eins in der Überzeugung „Der Fortschritt ist nur unter Kontrolle der Vernunft möglich und sicher.“

Sein Buch ist ein leidenschaftlicher, fast schon verzweifelter Appell an unser aller Vernunft und Verantwortungsgefühl. Wir müssen handeln, bevor es zu

Ich war im Sarkophag von Tschernobyl – Der Bericht eines Überlebenden von Anatoly N. Tkachuk, Styria Premium, ISBN 978-3-222-13337-4, www.styriabooks.at  

Das Buch kostet im Buchhandel 24,95 Euro. 

Geleitwort von Reinhard Deutsch: Am 26. April 1986 trat der Name eines Ortes auf die Bühne der Weltöffentlichkeit, den man nie wieder vergessen wird. Im kollektiven Gedächtnis jeder Generation gibt es ein Datum, bei dem fast jeder weiß, wo er zu diesem Zeitpunkt war. Wo und unter welchen Umständen er von etwas Besonderem erfahren hat, und zumeist sind es nicht die freudvollen Termine. Der Mord an John F. Kennedy ist so ein Datum, der Mord an Martin Luther King, die Schüsse auf John Lennon, das Attentat auf den Papst gehören in diese Reihe der erinnerten Geschichte. Doch ist die Wahrnehmung unscharf, die Einzelschicksale werden überlagert von so vielem.

Bei anderem geht das Ereignis in den Erinnerungsschatz ein, weil es viele waren, die in den Tod gerissen wurden, weil die so zufällige Gemeinsamkeit des gleichzeitigen Todes zur Metapher wurde für die jähe Veränderbarkeit auch glücklichster Umstände. Was früheren Zeiten Karthago und Pestzüge, der Totentanz und das „Dies irae", das ist dem 20. und auch noch dem 21. Jahrhundert der Untergang der Titanic ebenso wie das weltweit übertragene Zerbersten des Space Shuttle, das sind von kriegerischen Ereignissen mit ihren Konsequenzen - Stichwort Hiroshima - bis zur Zerstörung der Twin Towers, von Killing Fields und Auschwitz, von Tsunami und Erdbeben, Bilder und Geschehnisse, die Weh und Leid über viele bringen, allmählich aber absinken und vom Tisch der Aktualität in den Fundus der Erinnerung hinübergleiten.

Denn eine Tragödie wird irgendwann von der anderen abgelöst, überlagert, wird unscharf, verliert von ihrer Wirkungsmacht.

Das Ereignis des 26. April 1986 wird noch für Generationen Gegenwart bleiben, Gegenwart und Bedrohung der Zukunft in einem. An diesem Tag explodierte ein Reaktor im Atomkraftwerk Tschernobyl. Ein völlig unbekannter Ort wurde zum weltweiten Begriff für das Geschehen des Undenkbaren.

Tausende sind den mittelbaren Folgen dieses Unglücks zum Opfer gefallen, Hunderttausende tragen das Leid über die Zeiten hinweg.

Tschernobyl ist zum Gradmesser geworden für jede Katastrophe, zum Erinnerungsstein, über den jede Bequemlichkeit stolpert. Auch die Ereignisse in Japan, von denen wir noch lange nicht wissen, wohin und zu welchem Ende sie führen werden, werden mit Tschernobyl verglichen. Vielleicht ist es der menschlichen Seele eingeschrieben, sich zu trösten, es könne immer noch schlimmer kommen.

Viele tapfere, anonym gebliebene Menschen haben mit dem Mut der Verzweiflung, mit Sinn für Verantwortung gegen den Brand des sowjetischen Atomreaktors angekämpft. Sie haben den Sarkophag errichtet, die Schutzhülle um die Atomruine, die zum Grab von Hoffnung und Aufbruch wurde, und sie haben dafür gesorgt, dass die Welt eine Atempause bekommen hat. Sie sind als „Die Liquidatoren" eingegangen in die Liste derer, denen die Welt Dank schuldet.

Denn sie haben der Welt Zeit geschenkt.

Eine Zeit zum Nachdenken.

Eine Zeit zur Entwicklung von gemeinsamem Wissen und gemeinsamem Handeln.

Eine Zeit zur gemeinsamen Verantwortung.

Eine Zeit, die verrinnt.

Anatoly N. Tkachuk war dabei. Als einer der wesentlichen Offiziere, verantwortlich für die Sicherheit der Liquidatoren, hat er unermüdlich gewarnt, als es darum ging, die Augen nicht zu verschließen, sondern sich dem Höllenfeuer zu stellen und herauszufinden, was getan werden muss, damit die Kinder eine Zukunft haben.

Er ist hineingegangen in das Innere des Sarkophags, zusammen mit drei tapferen Männern, die allesamt nicht mehr am Leben sind. In seinem Buch berichtet er detailgetreu, wie es noch nirgendwo zu lesen war, wie Entscheidungsprozesse zwischen Verantwortungsbewusstsein und Bürokratie entstehen, wie Systeme in ihrem Selbsterhaltungstrieb die Wahrheit zu unterdrücken versuchen. Aber so wie einst ein Zola nicht ruhte, um jenseits des Einzelschicksales der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen, so fügt Tkachuk die Mosaiksteine von Entscheidungen und Zufälligkeiten, die Erzählungen von der Gratwanderung zwischen Tod und Überleben, die Berichte der Überlebenden und das Angedenken der Toten zusammen zum fesselnden Bericht aus dem Innersten des atomaren Infernos.

Fast nebenbei gelingt es ihm, in seiner sehr persönlichen Erzählung tiefe Einblicke in das System der Auseinandersetzungen der Großmächte zu geben, zeigt die Diskrepanz zwischen Konferenztisch und Schauplatz der Schattenkämpfe.

Die Darstellung in der dritten Person mag die notwendige Distanz schaffen, die es braucht, um solches Erleben und Überleben (!) in Sprache zu fassen.

Der Text ist geprägt von einer tiefen Liebe zu den Menschen, von einem fast verzweifelten Glauben an die Vernunft, von einem Verantwortungsgefühl für die Zukunft. Eine Verantwortung, die allerdings keiner allein tragen kann. Nicht ein einzelner Mensch, nicht ein einzelner Staat. Es geht nicht um Grenzen und Abgrenzung, sondern um Aufbruch und Hoffnung. Denn neben aller Schilderung ist dieses Buch ein flammendes Plädoyer für das Leben, das leben Dürfen auch kommender Generationen. Damit dieses seinen Platz finden kann, muss etwas geschehen. Etwas Gemeinsames. Reale Probleme wie das Feuer, das in Tschernobyl immer noch lodert und lauert, brauchen reale Lösungen. Die Welt und die Menschen - sie haben eine Chance verdient. Anatoly N. Tkachuk hat seinen persönlichen Beitrag geleistet, denn er war im Sarkophag von Tschernobyl. Jetzt ist es höchste Zeit, dass andere, dass viele, dass alle etwas tun.

Geleitwort von Reinhard Deutsch zu

Anatoly N. Tkachuk Ich war im Sarkophag von Tschernobyl - Der Bericht des Überlebenden.  

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