Berlin

Nicht ganz zwei Stunden dauert die Rundfahrt über sieben Seen, die an der Dampferanlegestelle Wannsee beginnt!

Schiff Ahoi: Pünktlich um 10.20 Uhr legt der „Bär von Berlin“, der Reederei Werner Triebler, ab. Die Schiffssirene ertönt dreimal, ein Signal für alle Wassersportler, dass das Schiff rückwärts von seinem Liegeplatz wegfährt.

Der Wannsee ist lediglich eine Ausbuchtung der Havel mit einer Länge von drei Kilometern. Seine größte Breite zwischen Kladow und Wannsee beträgt fünf Kilometer. Er ist bis zu 37 Meter tief.

Wir fahren an einigen Seglervereinen vorbei, die steuerbords, d.h. links vom Schiff, mit ihren zahlreichen Liegeplätzen zu sehen sind. Am Ufer liegt  das Grab von Heinrich von Kleist (1777-1811) und seiner Geliebten Henriette Vogel, die von ihm erschossen wurde. Anschließend beging er Selbstmord, weshalb den beiden ein kirchliches Begräbnis verwehrt wurde. Bekannt ist Heinrich von Kleist durch seine Werke, unter anderem „Der zerbrochene Krug“ und „Amphitryon“.

Danach ist die Gedenkstätte der Wannsee-Villa zusehen, in der am 20. Januar 1942 unter Reinhard Heydrich die „Endlösung“ der Judenfrage beschlossen wurde. Einige hundert Meter weiter befindet sich die Liebermann-Villa des bekannten Malers Max Liebermann (1847-1935), dessen Garten ihn zu mehr als 200 Gemälden inspirierte.

Der Flensburger Löwe am Ufer wurde im Gedenken an den Sieg der Dänen gegen die Schleswig-Holsteiner 1862 von einem dänischen Bildhauer geschaffen und in Flensburg als Denkmal errichtet. Nach dem Sieg über die Dänen 1864 kam der Löwe nach Lichterfelde und wurde dort vor der Kadettenanstalt aufgestellt. 1945 wurde er von den Amerikanern an die Dänen zurück gegeben. Der jetzige Flensburger Löwe ist also eine Nachbildung.

Rechter Hand ist die Halbinsel Schwanenwerder zu sehen, auf der sich um 1900 meist jüdische Bankdirektoren und Fabrikbesitzer ansiedelten, so auch die Kaufhausbesitzer Berthold Israel und Rudolph Karstadt. Nach 1933 mussten sie ihre Häuser unter Wert verkaufen, die von Propagandaminister Joseph Goebbels, Hitlers Leibarzt Theo Morell, dem Architekten Albert Speer und von Ernst Udet, dem Generalluftzeugmeister der Wehrmacht, erworben wurden. Das Land Berlin kaufte von den jüdischen Erben viele Grundstücke und veräußerte sie weiter. So besaß auch Axel Springer ein Grundstück auf Schwanenwerder, wie auch der Ex-Polizeipräsident Georg Schertz, der das kleinste Haus der Insel von seinen Eltern geerbt hat. 2003 wurde die futuristisch anmutende Firmenrepräsentanz des Schraubenmilliardärs Reinhold Würth gebaut, die vom Wasser aus zu sehen ist und nicht den ungeteilten Beifall der Inselbewohner findet.

Vorbei geht es an der Insel Imchen, die 1924 von der Stadt Berlin gekauft wurde und seitdem Naturschutzgebiet ist. Hier nisten Graureiher und Kormorane. Nun kommen wir zur Pfaueninsel, die einmal Kaninchenwerder hieß. Von den hier gehaltenen Pfauen, die heute noch die Insel bevölkern, erhielt sie ihren jetzigen Namen.

König Friedrich Wilhelm II. kaufte 1793 die Insel und ließ 1795 für seine Geliebte, die Gräfin Lichtenau, das weiße Lustschloss errichten. Das Schloss stellt eine Ruine im italienischen Stil dar und ist ganz aus Holz erbaut. Die Steinfassade ist lediglich aufgemalt. Es ist das einzige Schloss in Berlin, das im 2. Weltkrieg nicht zerstört wurde. Heute gehört die Pfaueninsel zum UNESCO-Weltkulturerbe. Vor der Erbauung des Schlosses experimentierte auf der Pfaueninsel Ende des 17. Jahrhunderts der Alchimist Johann Kunckel und erfand statt des erhofften Goldes das Rubinglas. Auch Königin Luise (1776-1810) liebte die Pfaueninsel, auf die sie sich gern mit ihrem Mann, König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) zurückzog. Er liebte exotische Tiere und richtete auf der Insel eine Menagerie ein. Für Löwen und Affen wurden Käfige gebaut. 1844 zogen sie in den neu gegründeten Berliner Zoo, die ehemalige Fasanerie des Königs, um. In der Alten Meierei und dem Kavaliershaus wohnen jetzt zwei Gärtner mit ihren Familien; vier Gärtner sind ganzjährig auf der Pfaueninsel tätig.

Backbord lugt zwischen den Baumwipfeln die evangelische Kirche St. Peter und Paul hervor, die Friedrich Wilhelm III. auf Wunsch seiner Tochter Charlotte, die mit dem russischen Zaren Nikolaus I. verheiratet war, erbauen ließ. Nur die Kuppeln sind in russischem Stil gehalten. Die Kirche wurde 1837 eingeweiht. Jetzt erklingt zu jeder vollen Stunde das Glockenspiel der alten Potsdamer Garnisonkirche „Üb immer Treu und Redlichkeit“. Etwas weiter entfernt steht das 1819 erbaute Blockhaus Nikolskoe, das nach dem Vorbild russischer Bauernhäuser gebaut wurde. Jetzt ist es ein beliebtes Ausflugslokal.

Die Fahrt geht weiter über den Kleinen Wannsee, der früher einmal Stolper Loch hieß. Auf der Steuerbordseite ist die 1844 von Ludwig Persius im italienischen Stil erbaute Heilandskirche von Sacrow zu sehen, die einen freistehenden Campanile hat. Sie war jahrelang nicht erreichbar, weil der DDR-Grenzzaun sie umschloss. Erst ab 1990 gab es hier wieder Gottesdienste. Hinter der Kirche ist das Schloss Sacrow mit seinem von Peter Joseph Lenné gestalteten Park zu sehen.

Das Wirtshaus Moorlake ließ König Friedrich Wilhelm IV. 1840 zu Ehren seiner aus Bayern stammenden Gattin in bayerischem Stil errichten. Wir kommen jetzt zum Jungfernsee mit den Neuen Gärten. Hier ließ Friedrich Wilhelm II. von 1786 bis 1792 als Sommerresidenz das Marmorpalais nach Plänen von Gontard und Langhans erbauen, das durch eine Sichtachse zu sehen ist. Der Jungfernsee und die Jungfernheide waren einstmals im Besitz des Klosters der Benediktinerinnen in Spandau.

Am Horizont sind zwei Türmchen zu sehen, die zum Belvedere auf dem Pfingstberg gehören. Friedrich Wilhelm IV. ließ die Aussichtsschlossanlage 1847 von Ludwig Persius im italienischen Stil errichten.

Rechts ist die Alte Meierei zu sehen. Sie gehört zum Schloss Cecilienhof, Jetzt befindet sich hier eine Gaststätte mit eigener Brauerei. Das Schloss Cecilienhof, im englischen Landhausstil erbaut, war das letzte Schloss, das die Hohenzollern erbauen ließen. Es wurde von 1914 bis 1917 für den preußischen Kronprinzen und seine Frau Cecilie erbaut. Das Paar wohnte hier bis 1945.

Vom 17. Juni bis zum 2. August 1945 fand im Schloss Cecilienhof die Potsdamer Konferenz statt, in der die USA, Großbritannien und Russland über das Schicksal des besiegten Deutschland entschieden. Stalin, Truman und Churchill waren persönlich anwesend, nachdem Präsident Roosevelt am 12. April 1945 plötzlich verstorben war. Jetzt ist es ein Hotel der Luxusklasse.

An der Backbordseite ist Schloss Klein-Glienicke zu sehen, das von 1825 an drei Jahre lang von Karl Friedrich Schinkel im Stil des Klassizismus für Carl von Preußen von einem Gutshaus zu einem Schloss umgebaut wurde. Der Park wurde bereits zehn Jahre vor Erbauung des Schlosses im Auftrag des Fürsten von Hardenberg von Joseph Peter Lenné angelegt. Der kastellartige Turm diente zur Bewässerung des Parks. Am Ufer steht das Casino, das einst als Gästehaus genutzt und ebenfalls von Schinkel erbaut wurde. Weiter nördlich ist das Dampfmaschinenhaus zu sehen, verbunden mit dem Gärtnerhaus.

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In der Mitte der 1809 erbauten Glienicker Brücke, die Berlin mit Potsdam verbindet, verlief bis zur Öffnung der Mauer 1989 die Grenze. Man kann es noch am Farbanstrich der Brücke sehen: Links NATO-Grün, rechts die hellere Farbe des Warschauer Pakts. Bekannt wurde die Brücke durch den dreimaligen Agentenaustausch. Hierüber schrieb John Le Carré den Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Rechts an der Brücke steht die Villa Schöningen, von Persius 1843 im italienischen Villenstil für die Familie Schöning erbaut. Eigentümer ist der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG Dr. Mathias Döpfner, der sie restaurieren ließ. In ihr finden jetzt wechselnde Kunstausstellungen statt. Gleich hinter der Brücke steht die Villa Kampffmeyer, die 1924 für den Mühlenbesitzer Kurt Kampffmeyer am Glienicker Horn erbaut wurde. Sie steht unter Denkmalschutz und gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. 2017 wurde sie für über 20 Millionen Euro zum Kauf angeboten.

Auf der Anhöhe sieht man den Flatow-Turm, dessen Vorbild in Frankfurt am Main steht. Er ist im Stil eines mittelalterlichen Stadttors erbaut. Kaiser Wilhelm I. ließ den Turm 1853 bis 1856 als Wasserturm errichten. Der Name kommt von einem westpreußischen Gut, das dem Kaiser gehörte. Von dort kamen auch die Ziegel für den Turmbau. Nach 1990 wurde der Turm aufwendig restauriert und kann jetzt wieder bestiegen werden. In der Ferne sind die Mietshäuser der Potsdamer Vorstadt zu sehen.

Wir befahren jetzt die Glienicker Lake. Rechts ist Schloss Babelsberg zu sehen, das als Sommersitz für Prinz Wilhelm, den späteren Kaiser Wilhelm I., nach 1833 von Schinkel und Persius erbaut wurde, wobei Prinzessin Augusta ständig Änderungswünsche hatte und ein Schloss im Stil der englischen Gotik wünschte, über die sie sich eingehend informiert hatte. Der Bau erinnert an Schloss Windsor. Der Park wurde von Lenné geplant und ab 1843 von Fürst Pückler vollendet. Das Pumpenhaus am Wasser diente zur Bewässerung des Schlossparks und versorgte auch die Brunnen.

Nun kommt das Jagdschloss Glienicke in Sicht, das bereits 1693 für den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg errichtet wurde. 1763 schenkte es Friedrich der Große dem Tapetenfabrikanten Isaac Levin Joel. Wilhelm von Türk war ab 1827 der nächste Besitzer, der 1832 in dem Haus ein Waisenhaus einrichtete. Etwa 20 Jahre später ließ Prinz Carl von Preußen das Schloss für seinen Sohn umbauen. Nach dem 1. Weltkrieg verfiel es und kam in den Besitz der Stadt Potsdam. 2003 brannte, durch einen Kabelbrand, ein Flügel des Schlosses. 2009 wurde das Schloss für 14 Millionen Euro denkmalgerecht saniert.

Jetzt ist das Schloss Babelsberg zu sehen, das 1833 nach Plänen von Schinkel und Persius im Stil der englischen Gotik für den Prinzen von Preußen als Sommerresidenz erbaut wurde, der 1861 als König Wilhelm I. den Thron bestieg und 1871 in Versailles zum deutschen Kaiser gekrönt wurde.  Der Nachfolger von Wilhelm I. war der unglückliche 99-Tage-Kaiser Friedrich IIII., der mit Victoria, einer Tochter der englischen Queen Victoria verheiratet war. Der Park wurde von Peter Joseph Lenné angelegt.

Nun befahren wir den Griebnitzsee, eine 3 km lange eiszeitliche Rinne. In seiner Mitte verlief, die Grenze zwischen Berlin und Brandenburg. Links ist dichter Wald, wo das Hahn-Meitner-Institut mit seinem Atommeiler zu finden ist. Rechts sind die Villen der UFA-Stars zu sehen, in denen 1945 Stalin, Churchill und Truman logierten. Die Bewohner mussten ins Jagdschloss Glienicke umziehen.

Die Truman-Villa wurde 1892 für den Berliner Verleger Müller-Grote erbaut und wird jetzt von der Friedrich Naumann Stiftung genutzt. In der Villa Urbig, so bezeichnet nach dem Mitinhaber der Deutschen Bank, wurde von Mies van der Rohe 1915 errichtet. Hier logierte 1945 Winston Churchill. Inzwischen gehört sie dem Software-Unternehmer Hasso Plattner, der das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam gründete, das zur Universität Potsdam gehört. In unmittelbarer Nähe kaufte Plattner 2017 die Villa Mosler, 1926 von Mies van der Rohe für den jüdischen Bankier Georg Mosler erbaut. Angeblich zahlte Plattner 8,8 Millionen Euro dafür.

Rechter Hand, kurz vor Kohlhasenbrück, beginnt der 1906 in Betrieb genommene Teltowkanal. Der Kaufmann Hans Kohlhas überfiel 1539 aus Rache einen Silbertransport des Kurfürsten Joachim I. und soll ihn unter der Kohlhasenbrücke versenkt haben. Dafür wurde er am Georgentor in Berlin gerädert. Heinrich von Kleist schrieb später die Novelle „Michael Kohlhaas“, die auch verfilmt wurde.

Durch den Prinz-Leopold-Kanal, auch Griebnitzkanal genannt, gelangen wir auf den Stölpchensee, an dessen Ufer sich viele Sportvereine befinden. An der Steuerbordseite liegt das Dorf Stolpe, das bereits 1299 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Weil die ursprüngliche Kirche abbrannte, wurde von dem Architekten Friedrich August Stüler 1859 die heutige Kirche erbaut.

Über den Pohlesee gelangen wir zum Kleinen Wannsee. In nordwestlicher Richtung ist die ehemalige Villa Siemens in einem großen Park zu sehen, die nach dem 2. Weltkrieg an eine evangelische freikirchliche Gemeinde verschenkt wurde. Heute befindet sich hier das Immanuel Krankenhaus.

Die Fahrt geht weiter durch den Pohlesee. Backbord ist dichter Wald zu sehen: Der Düppelner Forst.

Wir unterqueren die Wannseebrücke und können nun das Strandbad Wannsee sehen. Es ist das größte Freibad in Europa mit einem über einen Kilometer langen und 50 Meter breiten Sandstrand. Der Sand wurde in Güterwaggon vom Timmendorfer Strand nach Berlin geholt. Das Strandbad wurde 1907 eröffnet, einige Jahre später entstanden die Bauten im Stil er Neuen Sachlichkeit. Schon 1942 wurde das bisher strafbare Nacktbaden im Strandbad Wannsee erlaubt, das dort auch heute noch stattfindet. Seine Bekanntheit über die Grenzen Berlins hinaus erhielt das Strandbad Wannsee durch das 1951 von Cornelia Froboess gesungene Lied „Pack die Badehose ein“, wodurch die Sängerin zum Kinderstar wurde.

Vor uns liegen die Wannseebrücken zum Anlegen. Der Bär von Berlin hat seine Rundreise beendet.

Ein Beitrag für ReiseTravel von Edelgard Richter / Dela Press

Edelgard Richter by ReiseTravel.euEdelgard Richter berichtet aktuell zum Thema: Berlin & Brandenburg intern

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