Berlin

Deutsche und polnische Bahn stellt nach 160 Jahren Signale auf Rot in Richtung Wroclaw

Keine Gelder für Sanierung: Direkt an der Oder liegt die schlesische Stadt Wroclaw, die bis 1945 den deutschen Namen Breslau trug. In der polnischen Stadt Wroclaw leben über 630.000 Einwohner. Die Metropole ist die viertgrößte Stadt des Landes Polen und Hauptstadt der historischen Region Schlesien sowie der Woiwodschaft Niederschlesien. Beide großen christlichen Kirchen haben hier Amtssitze. Ein katholischer Erzbischof hat in Wroclaw seine Diensträume ebenso wie ein evangelischer Diözesanbischof. Der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, der 1945 im KZ Flossenbürg ermordet worden ist, kam 1906 in Breslau zur Welt. Breslau ist auch die Geburtsstadt des Schriftstellers Peter Hacks. Der 2003 verstorbene Lyriker und Dramatiker kam in der schlesischen Metropole 1928 zur Welt. Der Autor und Politiker Ferdinand Lassalle, Gründungsvater der Sozialdemokratie, kam hier 1825 zur Welt. Der Schauspieler, Fernsehmoderator und Kinderbuchautor Peter Lustig, bekannt aus der ZDF Sendung Löwenzahn, wurde 1937 in Breslau geboren, ebenso wie der Zeichner, Maler und Illustrator Adolph von Menzel. Er erblickte hier 1815 das Licht der Welt. Diese Liste mit Prominenten lässt sich noch seitenweise fortsetzen.

Erwähnt sei auch, zehn Nobelpreisträger kamen in Breslau zur Welt oder waren hier tätig. Dazu zählen die Nobelpreisträger für Literatur Theodor Mommsen und Gerhart Hauptmann sowie beispielsweise die Physiker Philipp Lenard, und Otto Stern sowie Max Born. Als bisher einziger Deutscher wurde der einst in Bonn lehrende Mathematiker Prof. Dr. Reinhard Selten 1994 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geehrt. Dieser Nobelpreisträger kam 1930 in Breslau zur Welt.

Zudem verfügt die polnische Metropole über Hochschulen und Forschungsinstitute und gilt allgemein als das wirtschaftliche, geistige, wissenschaftliche und kulturelle Zentrum im Südwesten Polens. Diese Stadt wird 2016 die Kulturhauptstadt Europas sein. Bereits 2012 war Wroclaw einer der Austragungsorte der Fußballeuropameisterschaft. Hinzukommt, hier wird der Europäische Filmpreis verliehen.

Kaiser Karl V., der von 1500 bis 1558 lebte, verlieh Breslau 1530 ein Stadtwappen. Bis 1938 wurde es verwendet und dann noch in der Nachkriegszeit erstmals von 1945 bis 1948. Mit großem Stolz nahmen es die Bewohner nach der Demokratisierung des Landes 1990 wieder auf und das 1530 erschaffene Wappen ziert erneut das Rathaus und sämtliche Dienstpost und Siegel der Metropole.

Heutzutage sind die beiden deutschen Landeshauptstädte Dresden und Wiesbaden Partnerstädte von Wroclaw. Es bestehen außerdem partnerschaftliche Städtebeziehungen zu Gemeinden in den USA, Niederlande, Belarus, Ukraine, Israel, Frankreich, Mexiko, Kroatien und Tschechien. Zu den Sehenswürdigkeiten zählen beispielsweise der von 1244 bis 1341 erbaute Breslauer Dom und die auf einer kleinen Oderinsel erbaute Kirche St. Maria auf dem Sande, die auch Sandkirche benannt wird. Ende des 12. Jahrhunderts entstand sie. 1944 wurde sie zerstört, die Deutsche Wehrmacht hatte in der Kirche ihren Sitz. Festungskommandant General Hermann von Niehoff steuerte von hier aus den Kampf gegen die anrückenden Truppen der UdSSR. In Breslau fand in der Zeit vom 23. Januar bis zum 6. Mai 1945 eine der letzten Kriegsschlachten im Zweiten Weltkrieg statt. Historiker gaben ihr den Namen Schlacht um Breslau. Bereits 1946 begann der Wiederaufbau der Sandkirche.

Die Städte Berlin und Breslau wurden bereits 1854 per Bahn miteinander verbunden. Sehenswürdigkeiten in beiden Metropolen gab und gibt es ja in Hülle und Fülle, ebenso kamen Geschäftsfreunde und Messebesucher per Zug zueinander. Seit dem 13. Dezember 2014 ist jedoch der Zugverkehr zwischen Wroclaw und Berlin eingestellt worden. Alle Signale auf dem Weg von der Bundeshauptstadt zur Odermetropole und in umgekehrter Richtung wurden auf Rot gesetzt. Was 160 Jahre lang währte, ist nun Historie. Traurig haben politische Verantwortliche, Bürger und Kaufleute sowie Unternehmer symbolisch Kränze am Cottbuser Hauptbahnhof niedergelegt. Der Fernverkehr von Berlin nach Wroclaw wird seit dem 14. Dezember mit einem Fernreisebus fortgeführt, allerdings wird auf einen Halt in Cottbus verzichtet.

Das Motiv für die Einstellung des Zugverkehrs klingt für EU Bürger wie ein Märchen aus 1.001 Nacht, allerdings ohne ein sogenanntes Happy End. Sowohl die Bahn in Polen als auch die in Deutschland gaben an, für eine Sanierung der Bahnstrecke sei kein Geld vorhanden.

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An der Oder läuten die Sturmglocken

Die als reich bekannte EU hat Geld zur Verfügung um so wichtige Projekte wie die Erforschung von Pestiziden von Bananenschalen zu finanzieren und vielen anderen wichtigen Dingen, die allesamt sicherlich ihre Daseinsberechtigung aufweisen können. Wir reden hier von europäischen Staaten in der EU, bei allem Respekt, wir reden nicht von westafrikanischen Ländern, wo die Menschen unter Ebola, kaum vorhandener medizinischer Versorgung, Unterernährung und fehlendem Trinkwasser über die Runden kommen müssen, egal wie.

Zwei Länder in der EU stellen zwischen der deutschen Bundeshauptstadt, die 3,5 Millionen Einwohner zählt und über 80 Millionen Mitbürger von hier aus verwaltet und einer polnischen Stadt mit 0,6 Millionen Einwohnern nach 160 erfolgreichen Jahren mal eben so den Bahnverkehr ein. Die Einstellung erfolgt wie gesagt nicht zwischen Krümel an der Knatter und einem kleinen polnischen Dorf in Masuren mit wenigen hundert Einwohnern. Die Einstellung erfolgt auch nicht, weil die Bahnstrecke nicht ausreichend frequentiert worden ist. Man hat halt auf beiden Seiten kein Geld für eine Sanierung gehabt beziehungsweise wollte dafür kein Geld ausgeben.

Was aber auch gesagt werden muss: In der peruanischen Hauptstadt Lima fanden zeitgleich Verhandlungen zum Weltklima statt. Ein Fernbus verpestet nachgewiesener Maßen die Umwelt mehr als die umweltfreundliche Bahn. Wie will denn die EU auf Politiker aus China, Russland und Vertretern aus den Ländern der Dritten Welt einwirken, wenn man im eigenen Lande dem Umweltschutz nicht den Stellenwert zubilligt, der ihm gebührt?

Vertreter aus anderen und oft wegen der Verschmutzung der Umwelt angeprangerten Staaten können doch jetzt den EU Verantwortlichen entgegnen: „Was ist denn vor Eurer eigenen Haustüre los? Warum nehmt ihr es mit dem Umweltschutz zwischen Berlin und Wroclaw nicht genauso ernst, wie wir es nach Eurer Meinung immer tun sollten?“ Hinzukommt ja auch noch folgender Gesichtspunkt: Die Bahntrasse Berlin nach Wroclaw ist ja jetzt nicht nur Geschichte in Sachen Personenverkehr. Es findet auch nur noch ausgedünnter Gütertransport auf dieser Strecke statt. Haben die Bahnverantwortlichen mal mitgeteilt, wie viele Lastkraftwagen täglich sich nunmehr zusätzlich auf der Straße von Berlin nach Wroclaw befinden, um den Warentransport aufrechtzuerhalten? Lastwagen, die Dieselpartikel in die Umwelt ausblasen?

Nach 160 Jahren ging auf beiden Seiten eine einst glückliche Bahnzeit zu Ende. Keine schönen Züge der polnischen und deutschen Bahn. Dr. Philipp Lengsfeld (CDU) gehört dem Deutschen Bundestag an. Sein Wahlkreis ist Berlin Mitte, auch der Berliner Hauptbahnhof gehört dazu. Der Volksvertreter Lengsfeld teilte im Gespräch mit ReiseTravel mit, alle Unternehmen, dazu zählen selbstredend auch Bahngesellschaften, haben das Recht, Entscheidungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und Bilanzen zu treffen. Am Ende der geschäftlichen Entscheidung bleibe festzuhalten, diese Strecke ist nun nicht mehr in Betrieb. Die Ursachen für diese Entscheidung mögen ja vielschichtig sein. Es gelte aber festzuhalten: „Die getroffene Maßnahme zur Streckenstilllegung kann ich nur bedauern.“

ReiseTravel Fact: Man hört von dieser Bahnstreckenstilllegung und kann das Motiv nicht nachvollziehen. Es haben beide Bahnunternehmungen kein Geld für Sanierungsmaßnahmen. Der deutsche und der polnische Bürger können gar nicht so schnell darüber die Köpfe schütteln, wie diese Begründung Kopfschütteln hervorruft. So eine Streckenstilllegung bereitet nämlich Kopfschmerzen. Auf beiden Seiten wird die Anzahl der Umsteiger vom Zug zum PKW steigen, noch mehr Autos werden sich auf diesen Streckenabschnitten bewegen. Der Bus bietet bei weitem nicht den Komfort, den ein Zug aufzuweisen hat. Völkerverständigung ist per Mail und Telefon sowie Briefkontakt auch möglich. Persönliche Begegnungen sind aber das Salz in der Suppe. Die deutsche und die polnische Bahn haben weder Berlin, noch Wroclaw und dem auf der Strecke liegenden Cottbus mit dieser Entscheidung Freude bereitet. Nur der deutsche Verkehrsminister wird sich die Hände reiben. Mehr Fahrzeuge auf deutschen Autobahnen bedeutet erhöhte Einnahmen durch die Maut.

Ein Beitrag für ReiseTravel von Volker T. Neef.  

Volker T. Neef ReiseTravel.euUnser Autor berichtet aus der Bundeshauptstadt und ist in Berlin wohnhaft.

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ReiseTravel News: Eine User Zuschrift

Hallo, ich wohne schon seit 30 Jahren in Wiesbaden, habe eine große Familie in Polen, die ich gerne oft besuchen will. Früher konnte ich ohne Probleme einen Zug direkt aus Frankfurt nach Legnica nehmen und bequem reisen. Heute bin ich Alt und mit dem Auto wage ich nicht so lange Strecke zu fahren und ausgerechnet jetzt, gibt es keinen Zug, der mich Direkt von Frankfurt nach Legnica oder Wroclaw bringt. Ich bin sehr enttäuscht. Wir werden alle reicher aber unserer Umgebung wird ärmer. Sehr schade das es so eine Verbindung nicht mehr gibt. Mit freundlichen Grüßen Aleksandra Brade.

ReiseTravel Antwort: Sehr geehrte Frau Aleksandra, vielen Dank für Ihre Mail. Auch unsere Redaktion findet das alles bedauerlich. Solche Entscheidungen behindern auch die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen, meint ReiseTravel.

 

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