Berlin

Internationaler Studentenklub und Glückwunsch den Geburtstagskindern

Heiße sonnige Sommertage im August: Die Weltfestspiele sollten die kulturelle Weltoffenheit der DDR dokumentieren und es sollten „fröhliche Festtage werden, Unterhaltung und Amüsement großschreiben“, lautete die Forderung. Weit über 25.000 junge Menschen aus über 140 Ländern kamen in die Hauptstadt der DDR. Diesen Gästen aus dem Ausland und natürlich der eigenen Jugend, sollten großartig inszenierte Programme offeriert werden. Täglich standen über 100 Veranstaltungen unterschiedlichster Couleur zur Auswahl. Auf großen oder kleinen Bühnen und in den zahlreichen Hallen und Sälen. Als politische und künstlerische Höhepunkte waren täglich fünf unterschiedliche zentrale Hauptprogramme vorgesehen und im offiziellen Terminplan eingeplant.

Historie & Memoires sind nachgefragte Themen – Erinnern Sie sich noch?

In den Feedback Mails an die ReiseTravel Redaktion lautet oft die Frage:

Wie war das damals, wer machte wann was?

ReiseTravel bat den Autor und Regisseur Gerald H. Ueberscher um Informationen:

Die Weltfestspiele waren eine Herausforderung?

Unbedingt, es war ein Mammutunternehmen. Für zwei Hauptprogramme zeichnete ich verantwortlich: „Internationaler Studentenklub“ und „Glückwunsch den Geburtstagskindern“. Das Event „Weltfestspiele“ war für mich eine gewaltige persönliche Herausforderung und zugleich der Start in meine berufliche Karriere als Künstler. Für die täglichen Veranstaltungen „Internationalen Studentenklub“, ab 20 Uhr bis weit nach Mitternacht in der Klosterstraße, lautete mein Vertrag: „Kulturregisseur Gerald H. Ueberscher zeichnet verantwortlich für die politische, künstlerische und technische Absicherung der Kulturveranstaltungen in Abstimmung mit dem Org. Stab des ISK, der Internationalen Leitung des ISK und mit dem 2. Kulturregisseur Hans Thomas. Die Tätigkeit umfasst besonders die Arbeit mit dem Moderatorenkollektiv, Musikredakteuren und allen auftretenden Künstlern. Die Regie für alle Internationale Abende und den Studentenball“. 

Internationalen Studentenklub im Saal?

Unter Leitung von Lothar Schilde, Koordinator Internationaler Studentenklub und hauptberuflich Dozent an der Hochschule für Ökonomie Berlin Karlshorst starteten wir im Herbst 1972 mit den Planungen. In das Team einbezogen wurde Hans Thomas, der kam von der Karl-Marx-Universität Leipzig und war dort Leiter des „Internationalen Studenten Ensembles“. Beide bereiteten wir die einzelnen Veranstaltungen vor, immer unter Kontrolle von Lothar Schilde. Im „Internationalen Studentenklub“ traten Künstler, Musiker, Solisten aus aller Welt auf, auch aus der DDR.

Die Aufgabe war klar umrissen: Der Internationale Studentenklub soll eine Stätte der Begegnung und des Meinungsaustausches sowie der kulturellen Betätigung der demokratischen studentischen Jugend der Welt sein. 

Für mich als Redakteur und Regisseur stand die Frage: Wie setzen wir das um? Musikalisch kein Problem, aber in der sprachlichen Übermittlung schon!

Meine Idee: Wir suchen junge dynamische Moderatoren, Ansager, Conférenciers, die sich in abgestimmter Form in den unterschiedlichen Sprachen ergänzen, ohne sich inhaltlich zu wiederholen. Sechs junge Leute wurden gefunden und auf ihren Auftritt trainiert: Uta Niemand, Ulrich Schüller, Riad Saad, Wilson Charles Amour, Ricardo Lopez, Alexander Nestorow, diese waren Studenten, aus dem In- und Ausland, sie lebten in Leipzig, Jena, Berlin sowie in anderen Teilen der DDR.

Gemeinsam erreichten wir eine perfekte Wortwahl, in acht oder neun Sprachen. Meine Idee mit den sechs „Conférenciers“ zahlte sich aus, bildeten sie doch die Konstante im Programm. Wir mussten zwei Bühnen im Haus und im Garten bespielen und konnten die „Sechs“ nun sehr flexibel einsetzen. Vor allem ausländische Solisten oder Gruppen trafen nicht immer zeitlich exakt ein. Vieles musste improvisiert werden und das nicht nur in Fragen der erforderlichen Technik. 

Wer trat auf?

Naturgemäß konnte keine Probe mit der Friedenskämpferin Angela Davis aus den USA Erfolgen oder mit Yasser Aravad und doch traten beide gemeinsam auf. Unterstützt von einer Band junger Palästinenser: Angela Davis dirigierte und alle Anderen sangen. Standing Ovation von den Anwesenden.

Im Konzertteil traten nationale und internationale Gruppen auf, von Renft, Phudys, Lok Kreuzberg, Prinzip. Ebenso begeisterte Dean Reed aus den USA, aber auch die zahlreichen anderen Künstler. Der Besucheransturm war enorm und oft mussten bereits ab 23 Uhr die Türen geschlossen werden.

Alle „Sechs“ Moderatoren verbuchten für sich einen Erfolg. Somit hatte ich die ersten „Schallplattenunterhalter“ der DDR kreiert und einfach perfekte „DJs“ geschaffen, die es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gab. Deren täglicher Auftritt wurde jeden Tag perfekter, routinierter und alle sechs wurden „Symbolträger“ des „Internationalen Studentenklubs“. Das kostete alles viel Kraft und Mühen, doch jeder einzelne Abend im „Internationalen Studentenklub“ wurde ein großes Erlebnis für Teilnehmer und Gäste. Ein schöner Erfolg, für uns alle.

Glückwunsch den Geburtstagskindern

Ingo Graf Glueckwunsch den Geburtskindern by ReiseTravel.eu

Ingo Graf moderierte auf und vor der Bühne und dann ganz oben auf dem TV Turm zur Party. Es wurde mächtig gefeiert und die Stimmung unter den Gästen war super!

Glückwunsch den Geburtstagskindern auf dem Alex?

Das Mega-Event „Glückwunsch den Geburtstagskindern“ fand täglich auf dem Alexanderplatz Berlin statt. In der Konzeption war festgelegt: „Im Rahmen dieser Veranstaltung werden die „Geburtstagskinder“ aller Nationalen Festivaldelegationen des jeweiligen Tages beglückwünscht. Die Idee des Festivals „Weltfestspiele“ soll auf individuell bezogene und unterhaltende Weise verdeutlicht werden und die Festivalteilnehmer auf eine besondere Art der Gastfreundschaft der Berliner Bevölkerung erleben. Das trifft auf alle Länder, die ihren Namenstag feiern, zu. Unter Zugrundelegung der Mitglieder der Nationalen Festivaldelegationen kann täglich mit etwa 50 Teilnehmern gerechnet werden“, war die Prognose. Alle gesteckten Ziele wurden weit übertroffen.

Die Veranstaltung „Glückwunsch den Geburtstagkindern“ fand täglich vom 29. Juli bis 5. August 1973 in der Zeit von 12 bis 13 Uhr auf dem Alexanderplatz statt. Nach Schätzungen der Polizei waren jeweils etwa 30.000 Zuschauer anwesend, damit war es ein publikumswirksames Großprogramm für alle Besucher der Weltfestspiele.

Unter den Zuschauern waren vor allem „normale“ Bürger aus Berlin, eben die Gastgeber. Alle feierten, mit denen, die am jeweils aktuellen Tag Geburtstag hatten. Zahlreiche Künstler aus den teilnehmenden Ländern bereicherten das musikalische Klanggeschehen.

Der tägliche „Glückwunsch den Geburtstagskindern“ gehörte zu den Hauptprogrammen, der Alexanderplatz war voller Menschen und nicht nur die Geburtstagkinder erhielten starken Applaus. Natürlich spielte auch Geld eine Rolle, die Gesamtkosten für alle Programme „Geburtstagkinder“ beliefen sich auf 50.593,89 Mark der DDR. Pro Veranstaltung rund 7.000 Mark, also sehr effizient und kostengünstig.

Geburtstagskinder auf dem Weg zum TV Turm

Ingo Graf Glueckwunsch den Geburtskindern by ReiseTravel.eu

Pro Tag hatten etwa 40 ausländische Teilnehmer Geburtstag. Bitte auf die damalige „Mode“ achten: Alles wieder da!

Das Programm Glückwunsch den Geburtstagskindern wurde im Laufe der folgenden Jahre auch in anderen Orten realisiert, auch zu "775 Jahre Dessau". Per Statistik kann die Anzahl der "Geburtstagskinder" ausgerechnet werden. So hatte Dessau 1988 etwa 90.000 Einwohner, geteilt durch 365 Tage, das sind etwa 25 Personen pro Tag. Da nicht alle Menschen kommen, kann mit 80 Prozent gerechnet werden. Diese Rechnung stimmte fast immer ganz genau. 

Klappte zum Weltfestspielen alles?

Perfektes Timing und gute Organisation waren die Eckpfeiler in der täglichen Umsetzung, fast alles klappte. Die X. Weltfestspiele wurden ein Erfolg, auch für mich persönlich. Am Ende verfügte ich über zahlreiche redaktionelle und künstlerische sowie produktionstechnische Erfahrungen. 

…Sie waren auf dem Weg zu persönlichen Erfolgen? 

Ja! Das Programm „Internationaler Studentenklub“ hatte ich bei der „Bezirkskommission für Unterhaltungskunst“ Magistrat Berlin Abteilung Kultur zur Bewertung angemeldet. Diese Kommission sollte meine fachlichen und künstlerischen Leistungen begutachten und bewerten.

Seit Anfang 1973 war ich „Freiberufler“ und benötigte eine „Staatliche Zulassung“, die ich im September erhielt. Als „Programmgestalter“ war ich bereits seit einiger Zeit für die Künstler Agentur der DDR tätig.

Die Weltfestspiele waren für mich eine markante Wegmarkierung. Nach Jahren intensivster beruflicher Arbeit hatte ich es geschafft. Es war ein langer Weg durch die Mühen der Ebene. Ab sofort stand ich am Anfang meiner künstlerischen Karriere als Redakteur und Regisseur. 

Sie starteten durch, auf Ihrer Erfolgsleiter?

Das Komitee für Unterhaltungskunst der DDR, Beirat Regie, stellte 1988 fest: „In der DDR sind 36 registrierte freischaffende Regisseure und Programmgestalter tätig.“

Im Laufe der Jahre, seit 1973, hatte sich eine „Handvoll“ gut qualifizierter „Personen“ herauskristallisiert, die als „Leiter Gestalterkollektiv“ fungierten und publikumswirksame „Programme“ maßgeschneidert in der gesamten DDR und dies mit wachsenden Erfolg inszenierten.

Diese „Macher“ waren gestandene Autoren, erfahrene Redakteure und profilierte Regisseure, die sich in den vergangenen Jahren positiv hervorgetan hatten und enorme Erfolge verzeichneten. Als Einzelperson agierend, oft mit einem Team im Hintergrund und an der Hand. Nicht nur deren Großveranstaltungen oder „finanziell teure“ Produktionen, die sie realisierten, waren erfolgreich.

Ausschlaggebend für den Erfolg eines Unterhaltungsprogrammes war und ist noch immer eine gute Idee, verbunden mit der dazu idealen Besetzung, bei Einhaltung aller vorgegebener finanzieller Parameter. Programme der Unterhaltungskunst waren überwiegend ein Produkt von künstlerischer Teamarbeit und in der Regel immer mit Erfolg gekrönt.

Als „Leiter Gestalterkollektivs“ verfügte ich über ein Team von Mitstreitern: Musikredakteure, Szenenbildner und Produzenten. Hinzu kamen Künstler, Sportler und Wissenschaftler, aber auch Menschen mit interessanten Hobbys. 

Als Regisseur musste jedes Einzelne, von mir inszenierte, Programm ein voller Erfolg werden, nicht nur wegen eines Folgeauftrages.

Nein: Begeisternde Zuschauer lautete mein Ziel. Deshalb war immer die ganz persönliche Handschrift gefragt, die des Regisseurs. 

Vielen Dank für das Gespräch und die Informationen!

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Ein Betrag für ReiseTravel von Su Kramer. (Foto Archiv Ueberscher)

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Ingo Graf moderiert das Programm: Glückwunsch den Geburtstagskindern. Seine TV Sendung: Schlager ´67 lief mit Erfolg im DDR Fernsehen. Erinnerungen eines populären Künstlers der 60ziger Jahre:

Ein Jahr ist ein Hauch – ein super Hit der damaligen Zeit: Ingo Graf

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