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Europas größtes Spezialmuseum präsentiert das „Weiße Gold“ des Fichtelgebirges
„Porzellan gehört zu Selb wie der Fisch zu Hamburg“: Anmutige Tänzerin inmitten von wildem Jaguar und Habicht. Königliche Kutsche zwischen Vasen, Kannen, Leuchter und Sammeltassen.
An jeder Straßenecke der Innenstadt, in den Gassen und Seitenstraßen, Tisch an Tisch Porzellan über Porzellan. Ganze Services, stapelweise Teller, Tassen, Dosen, Nippes. Kauffreudige mit vollgepackten Taschen und riesigen Tragebeutel wuseln um die Stände. Schon am frühen Morgen tätigen die Liebhaber des Porzellans ihre Geschäfte, suchen gezielt spezielle Sammlerstücke, andere finden Schnäppchen, handeln und genießen das Flair des Porzellan-Flohmarktes in Selb. Seit 1991 zieht es jedes erste Wochenende im August Sammler und Liebhaber des „Weißen Goldes“ in die Oberfränkische Porzellanstadt. Es ist der längste und größte Porzellanmarkt seiner Art in Europa. Die Standplätze, die sich bis zu drei Kilometer in der Innenstadt hinziehen, sind so gefragt, dass sie ausgelost werden müssen. Von den 400 Händlern kommen etwa ein Drittel aus der Region. Der Großteil der Anbieter reist aus der gesamten Bundesrepublik an. Busse aus Polen, Tschechien und Österreich fahren vor.
Der Händler Oswald Kraus kommt aus der Rhön und ist jedes Jahr dabei. Für ihn ist der Selber Flohmarkt ein Mekka des Porzellans. „Vor 35 Jahren habe ich meine Frau auf einem Polterabend kennengelernt. Meine Schwiegermutter hatte eine Menge Rosenthal Geschirr in den Vitrinen. Das hat mich begeistert. Wenn ich tagsüber viel verkaufe, leiste ich mir am Ende auch selbst immer ein besonderes Stück für meine Sammlung.
Die Stadt Selb ist geprägt vom Zauber des Porzellans, mit den überdimensionalen Kaffeekannen am Ortseingang und am Ortsausgang, mit dem Porzellanbrunnen, dem Porzellangässchen oder Nummernschildern.
Die lange Porzellantradition des Fichtelgebirges ist europaweit einzigartig. Die aufstrebende Porzellanfabrikation des 19. Jahrhunderts trug maßgeblich zur Industrialisierung der Region bei. Im Jahr 1814 gründete Carolus Magnus Hutschenreuther die erste Porzellanmanufaktur in Nordbayern. Seither gilt das Fichtelgebirge als Heimat des „Weißen Goldes“. Entlang der Porzellanstraße finden sich international bekannte Hersteller wie Rosenthal, Hutschenreuther, Walküre, Seltmann, Arzberg, Bauscher und Dibbern.
Nicht nur auf den gedeckten Tafeln findet sich bayerisches Porzellan, auch in Hotels und Gourmet-Tempeln, in der Bahn, auf hoher See und in der Luft kam es zum Einsatz. Während seine Hoheit, der bayerische Kronprinz Rupprecht von Bayern, von Hutschenreuther-Porzellan aus Selb seinen Kaffee trank, lieferte die Firma Heinrich aus Selb die Geschirre für das Luftschiff Graf Zeppelin und die Tischausstattungen u.a. für die Päpste Pius XII, Johannes XXIII und Paul VI an den Vatikan. Heute produzieren knapp 20 regionale Hersteller 80 Prozent des gesamten Gastronomie-Porzellans in Deutschland.
Weiß getünchte Fassaden. Hochragende Schlote. Ein verschachteltes Gebäudeensemble, das wie eine Trutzburg anmutet. Es ist die stillgelegte ehemalige Rosenthal Fabrik. Heute das Porzellanikon in Selb. Gegründet in den 60iger Jahren des 19. Jahrhunderts von Jacob Zeidler, 1917 erworben durch Philipp Rosenthal nach der Geburt seines gleichnamigen Sohnes und späteren legendären Unternehmers Philipp. Das Porzellanikon zählt zu den wichtigsten europäischen Industriedenkmälern Europas und ist Ankerpunkt der European Route of Industrial Heritage.
Es beherbergt das Europäische Museum für Technische Keramik, das Europäische Industrie Museum für Porzellan sowie das Rosenthal Museum. „Porzellan gehört zu Selb wie der Fisch zu Hamburg“, sagt scherzend und mit erkennbarem Stolz Wolfgang Schilling, stellvertretende Direktor des Museums. In den 20iger, 30iger Jahren sei Selb das deutsche Ruhrgebiet gewesen. „Hundert Hände gingen früher während des Manufakturbetriebes durch ein Stück Porzellan. Heute sind es immer noch um die 30 Hände“, schätzt er ein. Wolfgang Schilling führt durch nostalgische Maschinentechnik. Zwei Dampfmaschinen mit Trafostation, ein Kesselhaus. Von der Aufbereitung des Kaolin-Feldspat-Quartz-Gemischs über die Anfertigung der Gipsformen bis hin zur Fertigung und Verzierung – ist alles hautnah zu erleben. Im Europäischen Museum für Technische Keramik lohnt sich ein Blick in die Branchen Mechatronik, Raumfahrt, Hightech, Medizin, Chemie und Hochspannungstechnik, die ebenfalls mit dem Material arbeiten.
In einem der „Brennhäuser“, wo bis 1969 noch drei der insgesamt zehn übergroßen Rundöfen tonnenweise Kohle verbrauchten, um bei 1400 Grad Porzellan zu brennen, reckt sich über drei Stockwerke der wie eine Kathedrale anmutende Innenraum. Imposant die dort ausgestellten Kunstwerke von Designern und Künstlern wie Henry Moore, Salvardor Dali, Walter Gropius, Nicki de Saint Phalle und andere, die sich von Philip Rosenthal für Porzellan begeistern ließen und nach Selb kamen. Das Museum wartet mit ständig wechselnden Ausstellungen auf: Lifestyle, Kunst, Design aus Großmutter Zeiten n Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
ReiseTravel Fact: Das sich die Porzellanindustrie gerade im Fichtelgebirge angesiedelt hat, kommt nicht von ungefähr. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden um die Stadt Selb neue Kaolinvorkommen entdeckt. In der richtigen Mischung – zusammen mit Feldspat und Quarz – ergibt das Kaolin das „weiße Gold“, dass vor 300 Jahren so wertvoll wie Gold war.
Porzellanikon Staatliches Museum für Porzellan Selb, Werner Schürer Platz 1, D-95100 Selb.
Ein Beitrag für ReiseTravel von Christel Sperlich
Fernsehjournalistin Christel Sperlich entdeckt gern die ungewöhnlichen Geschichten hinter dem Abenteuer Reisen.
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