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Vor 300 Jahren zogen Borkums Walfänger hinaus aufs Nordmeer: Eine winterliche Spurensuche an der Nordseeküste
Winter auf der deutschen Nordseeinsel Borkum. Graue Wolken ziehen zitternd über den feuchten Himmel. Nur der Schrei einer Möwe zerreißt manchmal die Stille über dem mystischen Watt. Kehrt die Flut zurück klingt das, als wollten die Wellen alte Geschichten erzählen. Von Walfängern und einer kuriosen Tradition. Mit Naturromantik hatten Borkums Jäger anno dazumal wenig an der Mütze. Vor mehr als 300 Jahren brachen sie zu gefährlichen, aber im wahrsten Wortsinn fetten Beutezügen ins Polarmeer auf. Ihre Spuren hat der Wind bis heute nicht verweht.
In der dunklen Jahreszeit sind Wintergäste gern unterwegs, um abenteuerlichen Fährten der „Grönlandfahrer“ und anderen zuweilen merkwürdigen Besonderheiten auf der Insel zu folgen. Mit fester Wetterkleidung trotzen sie der steifen Brise in dem jetzt von Touristentrubel befreitem Seebad. Am weitläufigen Strand haben sie die heilsame Luft für Atemwege fast für sich alleine. Mit etwas Glück finden die Späturlauber im Veranstaltungskalender eine Ortsführung und einen Vortrag mit Gregor Ulsamer. Der Historiker und Autor weiß alles über die Nordseeinsel und das geschichtsträchtige Walfang-Sujet. Ende des 17. Jahrhunderts packte die Inselfriesen das Walfieber. Kapitäne, Harpuniers und Speckschneider zogen zu blutigen Geschäften hinaus vor Spitzbergens Küste. Wer die riskanten Exkursionen in die Arktis als Seefahrerromantik einnorde, der sei allerdings auf dem falschen Dampfer, versichert Ulsamer. Zahlreiche Männer trieb allein Armut und nackte Not auf die Schiffe. In 160 Jahren hätten rund 100 Borkumer Commandeure bei 1150 Fahrten die Kosmopoliten der Weltmeere gejagt.
Wetterkapriolen, Kälte oder tückische Strömungen konnten schon damals einen Seemann nicht erschüttern. In den Fanggebieten der Borkumer im Nordmeer war der Grönlandwall zuhause. Der schwerfällige Schwimmer war leichte Beute weil er nach dem Tod wegen seiner dicken Speckschicht nicht unterging. War ein Wal in Sicht, fuhren Männer in wendigen Booten mit Harpunen und Lanzen heran. Oft dauerte das Gemetzel einen halben Tag. Dann wurde das getötete Tier zum Segler geschleppt, mit Tauen an der Bordwand fest gemacht und verarbeitet.
Speck war das wertvollste Gut. Bis zu den Hüften standen die Speckschneider im bestialisch stinkenden Kadaver und füllten die „Ware“ in Fässer. Die Nordmänner schleppten sogar Knochen mit an Land. Umgerechnet 1500 Euro für einen Wal flossen damals in die Schatullen der Commandeure. Die Gegenrechnung präsentierten die Natur - oder der Klabautermann. Von zehn Seeleuten behielt das feindliche Meer nicht selten drei Familienväter. Die wenigsten aber fanden den Tod bei Scharmützeln mit den Meeressäugern. Viele erlagen Strapazen und Krankheiten oder Packeis zermalmte ihr Schiff. Da blieb kein Platz für Mitleid mit „Mobby Dick“. Kehrten die Männer im Herbst von den Schlachtfeldern im Polareis unversehrt zurück, wartete das Unheil nicht selten in den eigenen vier Wänden. Eine Anekdote berichtet vom „Swarte Roelf“. Der mit allen Wassern gewaschene Pirat war selber einst Walfänger und wusste ganz genau, wo die Seeleute Taler und Gulden in den Inselhäusern versteckt hielten. Da während der monatelangen Fangzeiten nur wehrlose Frauen, Greise und Buben an Land waren, hatte der Freibeuter leichtes Spiel.
Ende des 18. Jahrhunderts segelten immer weniger Schiffe ins Eismeer. Das Objekt der Begierde war nahezu ausgerottet. Für das Inselvolk wehte fortan ein anderer Wind. Gregor Ulmer blickt in den trüben Novemberhimmel. „Als 1802 der letzte Commandeur herausfuhr, bedeutete das abrupte Ende des Walfangs eine Riesenarmut für die Insulaner.“ Erst als 50 Jahre später Inselgäste die Reise übers Meer wagten, kehrte mit dem Tourismus Hoffnung zurück. Wirklich lustig war eine Seefahrt aber auch da nicht. Mit Segelschiffen dauerte die Passage oft über 18 Stunden. Kurz vor Borkum hieß es dann „alle Mann von Bord“, mit Sack und Pack in Boote umsteigen. Gregor Ulmer zeigt auf eine Ortskarte: „Gehen Sie doch mal in die Wilhelm-Bakker-Straße“. Dort beim alten Leuchtturm fällt manch Landratte schon mal die Kinnlade runter: 250 Jahre alte Zäune aus eingepflockten Walkieferknochen begrenzen zwei Grundstücke. Auf der einst karg bewachsenen Insel boten die zersägten Knochen Schutz gegen Wind und Sandverwehungen. Zeugnis maritimer Geschichte(n) ist auch der kleine Walfängerfriedhof zu Füßen des markanten Turms. Inschriften schlichter Grabsteine erzählen vom Mut, von Schicksalen und Verbundenheit der Verstorbenen zum Meer.
Heute ist „Schiedwetter“. Gelegenheit, im Heimatmuseum die Wal-Watching-Tour zu Land fortzusetzen. Star der Sammlung ist ein 16 Meter langes Pottwalskelett. Das umgebaute Gulfhaus eines Kapitäns veranschaulicht zudem mit Lebenswelten und Wohnkulturen Borkums Wandel vom Fischer- und Bauerndorf zum Walfänger-Hotspot. Moin! Im historischen Wohnzimmer im benachbarten Turmwärterhaus, bietet Gottfried Sauer Teezeremonien an. Als Beilage serviert er viel Wissen über die Entstehung des Eilands: Dass zerstörerische Sturmfluten das Fleckchen Erde aus der geologischen Einheit mit den heutigen Nachbarinseln Norderney und Juist riss, und dass Abschnitte von Borkum Jahr für Jahr Spielball der See sind. Ohje! Sauer winkt ab. „T`sóómen kriigent wi dat hen“, zusammen kriegen wir das hin. Für die 5100 Insulaner sei das kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Mit millionenteuren Investitionen werde Inselschutz heute ganz groß geschrieben.
Beliebtes Ausflugsziel für Romantiker ist das Schutzgebiet Ostland, wo der raue Wind durch Dünenlandschaften und vogelreiches Wiesenland braust. Wem die Radtour zu frostig ist, der fährt mit dem Inselbus, rät Sauer. Seeregenpfeifer, Uferschnepfen und Wasserläufer begleiten am Rande der Wanderpfade den Weg zu den letzten beiden Inselbauernhöfen mit Restaurant und Café.
Zur umstrittenen 200 Jahre alten Inseltradition „Klaasohm“ (Onkel Klaus) an jedem 5. Dezember sollten sich Inselgäste Fragen allerdings verkneifen. Seit ein Fernsehbericht über das Verprügeln von Frauen einen medialen Amoklauf nach sich zog, streichen Einheimische bei diesem Thema lieber die Segel. Naht der Nikolausabend gehen Touristen besser auf Tauchstation. Bis 2023 jagten an „Klaasohm“ schaurig kostümierte Burschen junge Frauen durch die Straßen und schlugen mit Kuhhörnern auf deren Gesäß. Obwohl der Ursprung des Prügelrituals im Dunkel liegt, hielten Einheimische an dem vermeintlichen Kult aus der Walfängerzeit fest: Als Männer früher auf See waren, hatten Frauen das Kommando. Nach ihrer Rückkehr wollten die Seefahrer mit Schlägen wieder klar machen, wer Herr auf der Insel ist – lautet eine von vielen historischen Erklärungen.
Nach einer Welle bundesweiter Empörung setzte sich bei den Nordlichtern die Erkenntnis durch, dass Inszenierung von Gewalt gegen Frauen keinen Platz auf der Insel haben dürfe. Die Verantwortlichen ruderten zurück. Man werde ab sofort auf die „historisch gewachsenen Handlungen“ verzichten. Aber immer noch gilt: Bei dem Treiben am Nikolausabend sind Borkums feiernde Männer und Frauen am liebsten ohne Gäste unter sich. Winter auf Borkum. Ohne Jagd und ohne Hiebe.
ReiseTravel Service
Auskünfte: www.Borkum.de.
Anreise Bahn: Bis Emden Hbf. Von Emden Busbahnhof weiter zur Fähre oder zum Katamaran nach Emden-Außenhafen (www.ag-ems.de). Auf Borkum fährt eine Kleinbahn bis Ortsmitte.
Fahrradverleih: An der Kleinbahn
Unterkunft: Zentral nahe dem alten Leuchtturm liegt das Arthotel Bakker, Neue Straße 6b. DZ ab 104 Euro. www.arthotel-bakker.de
Walpfad: Ein vier Kilometer lange Rundparcours kann zu Fuß oder mit dem Fahrrad ab Nordsee Aquarium absolviert werden.
Inselausflug: Das wilde Ostland ist mit Rad, Inselbus, Auto oder zu Fuß erreichbar.
Restaurant: „Zum Insulaner“. Probieren: „Penne Scampi“, gebratene Scampis mit Zwiebeln, Paprika und Basilikum.
Literatur: „Die Borkumer Walfang-Commandeure, Gregor Ulsamer/Heinrich G.J.Vieth. 327 Seiten, 29,80 Euro.
„Borkum Handbuch“, Reise Know How. 336 Seiten, 18,90 Euro.
Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Manfred Lädtke
Unser Autor lebt und arbeitet in Karlsruhe.
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