Isadora Duncan | „Ich habe mein Leben vertanzt“ |
Isadora Duncan war ein Mythos, eine Pionierin, Wegbereiterin des modernen, sinfonischen Ausdruckstanzes. Am 14. September 1927 verstarb sie
Weit öffnend die Arme, vor und hoch zum Himmel gestreckt. Schwebend. Hüpfend. Biegend. Aufrichtend. Geschmeidig sich um die eigene Achse drehend. Entrückt der Gesichtsausdruck. Expressiv. Elegisch, Wirbelnd. Feinsinnig. So erscheint sie auf Fotos und den wenigen filmischen Aufnahmen. Mit schwingenden Kleidern oder wehenden Tüchern. Frei und unabhängig. Und Barfuß - das war ihr Markenzeichen. Keine Spitzenschuhe. Kein Tütü. Kein Korsett. Keine Zwänge. Dafür Hingabe. Emotion und Leidenschaft. Ganz natürlich wollte sie sich in ihrer Schönheit ausdrücken. Leicht. Schlicht. Grazil.
Inspiriert zu den weit ausladenden Schulterbewegungen, die so bezeichnend für ihre Bühnenauftritte waren, wurde Isadora Duncan an der Riviera von Opatija. Schon vor mehr als einhundert Jahren galt Opatija als beliebter Kurort der österreichisch-ungarischen Monarchie, zu dem zahlreiche Adelige, Großbürger und Künstler kamen. Von ihrer Villa Amalia, in der die Tänzerin wohnte, schaute sie auf Pinien, Zypressen, Lorbeerbäume und auf die stattlichen Palmen im Park. Eine wuchs direkt vor ihrem Fenster. „Oft beobachtete ich, wie sich ihre Blätter in den frühen Morgenstunden, berührt von frischer Brise, leicht zitternd bewegten“, schreibt sie in ihren Erinnerungen. Dieses Flattern der Palmenblätter im Wind ahmte sie begeistert nach. „Von hier aus stammen meine leicht zitternden Tanzbewegungen, die meine Nachahmer so sehr profanierten, aber sie vergessen es, selbst zur Ursprungsquelle zu gehen, die Palmenblätter zu beobachten, sie in sich aufzunehmen, sie zu behalten und sie weiterzugeben…“
So würden die Palmen in die Geschichte der Welttanzkunst eingegangen sein, meint Barbara Zrinscak, die Gästen begeistert und mit Herzenswärme die Stadt zeigt. „Opatija wurde Duncans Lieblingsort, der eine positive Energie auf sie ausgestrahlt haben muß. Immer wieder kehrte sie hier her zurück“, weiß die Stadtführerin und zeigt auf die Bronzeskulptur vor der Villa, die an die Tänzerin erinnert.
„Ich wollte Tanzen wie ein Vogel zwitschert. Getrieben vom Schlag meines Herzens. Von der Erregung meiner Haut. Von der Inspiration einer verrinnenden Zeit“, schwärmt Duncan. Schon als Kind ging das Mädchen in den Wald oder an den Strand, um im Rhythmus der Wellen zu tanzen. Und sie glaubte, das Meer und die Bäume mit ihr tanzen zu sehen. Eine ewige nie enden wollende Bewegung. Die junge Tänzerin war überzeugt, dass ihre Kunst aus dem Meer entstanden sei.
Nicht nur die Palme vor ihrem Fenster und die anderen im Park, die sie nie zuvor gesehen hatte, beeinflussten ihren Bewegungsstil, erzählt Barbara Zrinscak. Auch die stetig wechselnden, federleichten Wolkenformationen am Himmel und der milde, erfrischende Windhauch an der Adria, inspirierten Isadora Duncan.
Sanft Zirbeln die Wellen vor sich hin an der Strandpromenade, bäumen sich auf, wenn der Wind stärker wird und brechen am Felsgestein.
„Der Wind? Ich bin der Wind. Das Meer und der Mond? Ich bin das Meer und der Mond. Tränen, Schmerz, Liebe, fliegende Vögel? Ich bin das alles. Ich tanze so, wie ich bin. Sünde, Gebet, Flug, Licht…”
Barbara Zrinscak, die manchmal sogar selbst zwischen der Blütenpracht der Kamelien im Park von Opatija Isadoras Tänze in eigener Interpretation wiedergibt, führt zur „Wall of Fame“. Ein Mural mit dem Porträt der Tänzerin. Als einzige Frau ist sie unter namhaften Künstlern, Wissenschaftlern und Wegbereitern abgebildet. „Sie war hier in ihrer Jugend. Alles schien noch leicht und unbeschwert. Eine glückliche Zeit“, meint Barbara Zrinscak.
Geboren wurde am 27. Mai 1877 in San Francisco, übersiedelte sie als 21-Jährige mit ihrer Familie nach London, wo sie bereits ein Jahr später mit ihren Solostücken öffentliche Beachtung fand. Ihre nächste Station war Paris und von hier aus begann ihre Karriere. Erfolgreich zog sie um die Welt, machte in Europa, Amerika, Russland Station und begeisterte überall das Publikum.
Nach den Wurzeln des Tanzes suchte sie in Griechenland und entdeckte den antiken Chortanz. Gekleidet in einer griechischen Toga und einem langen Schal um ihren Hals, orientierte sie sich am griechischen Schönheitsideal, bewegte sich als erste Künstlerin zu sinfonischer Musik. Ausgehend vom Habitus griechischer Gottheiten gilt sie als Erfinderin des modernen Ausdruckstanzes. Alle in ihr verborgenen Emotionen brachte sie frei zum Ausdruck. Ihre Tänze waren geprägt von klassischer griechischer Kunst, vom Volkstanz, Gesellschaftstanz, der Natur und den Naturkräften. „Tanzen, wie sie lebt, das war ihr Credo. Auf mich wirkt sie selbst fast wie eine Göttin. Die Schönste von allen, weil sie Schönheit vermittelte“, sagt Brigitte Zrinscak fröhlich lächelnd.
1904 ließ sie sich in Berlin- Grunewald nieder. Hier gründete sie mit ihrer Schwester Elizabeth in der Trabener Straße die »Duncan Schule für Mädchen«, liebevoll auch „Barfuß-Tanzschule genannt.
Die Schule, die sie mit ihren Tourneereisen finanzierte, legte ihren Schwerpunkt auf die musikalische und gymnastisch- tänzerische Bildung, auf die Ausrichtung von Körper, Geist und Seele. Duncan wollte die Kinder nicht für die Bühne ausbilden, sondern sie dahin führen, ihre Bewegungen aus dem Inneren zu erspüren. „Lehren wir die Kinder zuerst zu atmen, zu vibrieren, zu fühlen und eins mit der Harmonie und der Bewegung der Natur zu werden. So schaffen wir ein schönes Menschenwesen, ein tanzendes Kind“, war ihr Credo.
20 kleine Mädchen tanzten nun wie ihre Lehrerin barfuß in griechischen Kleid Gewändern. Ohne Drill. Ohne Korrekturen und stundenlanges Training. Eine Ausbildungsstätte der Lebensfreude und Freiheit des Tanzes. Doch öffentlich Auftreten durften die Schülerinnen wegen der nackten Beine nicht. Nur bei geschlossenen Veranstaltungen.
Als die noch unverheiratete Isadora Duncan schwanger wurde, übernahm Ihre Schwester das Internat und zog mit den Kindern nach Darmstadt um. Heute erinnert eine Porzellan Gedenktafel der Königlichen Porzellan Manufaktur an die interessanten Berliner Jahre der bedeutenden Tänzerin. Sie wurde 1993 in Charlottenburg an dem Haus in der Trabener Straße 16 angebracht.
Isadora Duncans Emotionen und politischen Ansichten setzte sie im Tanz um wie Brahms Waltzes, The Lullaby Solo, Marseillaise und Marche Slave. Zu ihren bekanntesten Choreografien zählen ihre frühen Arbeiten wie „Orpheus“, "Primavera", "Iphigenia in Aulis". Aufsehen erregte sie auch durch ihre Mitwirkung bei den Bayreuther Festspielen, wo sie in der Venusgrotte des Wagnerschen »Tannhäuser« die Szene der Grazien tänzerisch inszenierte und selbst mitwirkte. Neben Wagner und Gluck choreografierte sie auch Werke von Beethoven, Schubert, Brahms, Chopin und Richard Strauss.
Doch so sehr sie auf den Bühnen der Welt große Erfolge feiern konnte, privat erlitt sie eine Tragödie nach der anderen. Die Tanzpionierin wurde von schweren Schicksalsschlägen getroffen.
Liiert war sie zunächst mit dem englischen Bühnenbildner Edward Gordon Craig, von dem ihre Tochter Deirdre stammte. Sohn Patrick bekam sie von Paris Singer, dem Sohn von Isaac Singer, dem millionenschweren Erben des amerikanischen Nähmaschinen-Fabrikanten. Als Isadora in Russland lebte und auch dort unterrichtete, heiratete sie den 18 Jahre jüngeren Sergei Alexandrowitsch Jessenin, den bekanntesten russischen Dichter des 20. Jahrhunderts. Die Ehe scheiterte. Der junge Poet verfiel dem Alkohol und nahm sich das Leben.
Das Schlimmste jedoch: Ihre beiden Kinder ertranken auf tragische Weise bei einem Autounfall in Paris. Sie stürzten mitsamt dem Kindermädchen in die Seine. Der Chauffeur hatte beim Aussteigen vergessen, die Handbremse zu ziehen. Ein Verlust, über den die Mutter nie hinwegkam, den sie nun selbst mit Alkohol zu betäuben versuchte.
Völlig unerwartet ereilte kurze Zeit darauf nun Isadora Duncan selbst der Tod. Es war der 14. September 1927 an der Cóte dÁzur in Nizza. Während einer Fahrt mit einem Sportwagen wickelte sich ihr wallender Seidenschal um die Hinterachse des Autos und brach ihr das Genick. Ihr Schal wehte durch die Luft. Isadora Duncan ging mit dem Wind.
Autobiografie „Mein Leben“ 1927. Film „Isadora“ von Karel Reisz 1968.
Ein Beitrag mit Foto für ReiseTravel von Christel Sperlich
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