Peter & Katrin Hoffmann

In der „Strandläufer“ Verlagsbuchhandlung von Peter und Katrin Hoffmann, findet man in einem der ältesten Häuser von Stralsund auf nur 24 Quadratmeter neben aktueller Belletristik spannende Straßenkrimis und hanseatische Zeitgeschichte

Immer herein in die gute Stube“, heißt es, wenn die knarzende Tür des ältesten Hauses der Stadt aufgeht. Ein freundliches Willkommen empfängt jeden Gast in der winzigen Buchhandlung „Strandläufer“.

Alles begann mit einem Bauchladen, den sich Peter Hoffmann auf die Brust schnallte und mit laut schellender Glocke am Strand des Strelasund „Frische Bücher“ anpries. Die Badegäste waren von der Urlaubsunterhaltung begeistert. Es dauerte nicht lange, da schob der fliegende Händler sein Fahrrad die Strandpromenade entlang. Vorn im Körbchen hauptsächlich Krimis, die er verkaufte. Bald darauf, neun Jahre sind seitdem vergangen, gründeten er und seine Frau den Strandläufer Verlag in einem der ältesten Häuser von Stralsund, dem Museumshaus in der Mönchstraße 38.

In antiken Pharmazie Schränken aus der ältesten Apotheke der Stadt befinden sich neue und alte Bücher, Autografen, skurrile Souvenirs. Es riecht nach Staub, nach Holz und Papier. „Hier kann man Zeit spüren und die 700 Jahre der Stadt, die in dem ehemaligen Handelshaus vergangen sind, auch erkennen. Wie viel Leben hier drin steckt. Wie viel Geburten, Krankheiten, Leid und Schicksale“, geht Katrin Hoffmann durch den Kopf.

Verlagsbuchhandlung Peter und Katrin Hoffmann in Stralsund

Die Verleger sind bereits die 26. Generation Krämer. Ein wahrer Handelsgeist herrscht in dem altehrwürdigen Haus. Auf dem Verkaufstisch eine offene hölzerne Ladenkassen aus den 20-er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Modell „Detektiv“. Daneben eine moderne elektronische Registrierkasse. „Anfangs glaubten die Leute, wir seien ein Antiquariat und fragten nach alten Büchern. Irgendwann schrieben wir dann an das Schaufenster mit großen Lettern: Frische Bücher.“ Und sie verkaufen tatsächlich die brandaktuellen, also frischen Bücher von Debütanten, Neuerscheinungen und wenn es Klassiker sind, dann neue Übersetzungen von Autoren.

Die nur 24 Quadratmeter Raumfläche sehen sie nicht als Beschneidung an, sondern als Chance. „Sie zwingen zur Reduktion und zum Auswählen. Wir haben nie mehr als 500 Titel gleichzeitig im Geschäft, ein überschaubares, dadurch ein sehr ausgewähltes Sortiment. Kein Buch steht hier zufällig, wir ringen um jeden Titel und können zu jedem Titel etwas sagen.“ Die meisten Bücher haben sie selbst gelesen und können so zielgerichtet Auskunft geben. „Man muss immer neugierig sein, in der Begegnung und immer im Gespräch herausfinden, welches Buch zu welchem Kunden passen kann“, meint Peter Hoffmann. Die enge Kundenbindung hat der Buchhandlung auch über die Corona Krise geholfen. Das Paar war flexibel und verkaufte Bücher aus dem heimischen, fast ebenerdigem Küchenfenster, da sie den Laden schließen mussten. Peter Hoffmann setzte sich erneut aufs Fahrrad und lieferte die gewünschten Bücher in der menschenleeren Stadt aus.

Wie lesen sich die Erzählungen von Astha Nielsen?, fragt eine Kundin. Eine andere sucht „dicke Krimis“. Freundlich wendet sich Katrin Hoffmann ihr zu. „Ich hab ganz normale aber auch dicke Krimis“, antwortet sie fröhlich und empfiehlt Bret Easton „The Shards“. Lieblingsbücher ihrer Leserschaft finden sich häufig im Sortiment wieder. Besondere Wünsche können bestellt und meist schon nach einem Tag abgeholt werden.

Das kleine Bücherstübchen ist fast wie ein zuhause geworden. Ein Treffpunkt oft auch mit der Familie. Tochter Eva vertritt die Eltern regelmäßig, verdient sich etwas Geld für das bevorstehende Studium der Rechtswissenschaften. Nein, in die Fußstapfen der Eltern will die 18 Jährige erst mal nicht treten, auch wenn sie in der Branche aufgewachsen ist.

Katrin und Peter Hoffmanns schreiben und verlegen Regionalliteratur, Landschaftsporträts von Rügen, Geschichten über Land und Leute, Ferienlektüre, auch opulente Kochbücher über die Vorpommersche Küche, zeitlos aktuelle Belletristik und besonders gern Straßenkrimis, historische Romane über Stralsund. „Die Stadt spielt immer mit, ein historisches Dorf, ein Kiez, man kennt sich“, freuen sich die beiden. Sie haben viele historische Krimis geschrieben. „In Archiven fanden wir eine lange Liste über Huren, Henkersknechte, Hanseaten, Wirtsleute, Schiffer wie auch über die Stadtväter, Ratsherren oder Bürgermeister. Manche der frühen Gestalten glaube ich, hier noch immer herumlaufen zu sehen“, meint die Buchhändlerin und schmunzelt verschmitzt. „Da sind heute auch der sympathische, stets freundliche Paketbote, Stadtführer, Nachtwächter, die Bäckersfrau, die immer fragt, ob man noch einen Bäckerwunsch hat. In unseren Stralsund Krimis dienten auch manche Kunden schon als Inspiration, als optisches oder akustisches Vorbild, erzählt Katrin Hoffmann und lacht herzlich, ohne sich lustig zu machen.

„Es ist großartig und reizvoll, die alten Geschichten neu zu schreiben und jetzt selbst Teil dieser Geschichte zu sein. Als Autoren zu erleben, dass sich eine Idee aus dem Kopf in einem Buch materialisiert, das ist ein überwältigendes Erlebnis. Immer wenn wir ein Buch fertig haben, habe ich das Gefühl, als würden wir ein Kind in die Welt entlassen.“ Und auch als Buchhändler es ihnen nie langweilig. „Wir präsentieren immer neue Bücher, neue Stoffe, schließlich haben es uns die „Frischen Bücher“ angetan. Die „Frischen Büchern“,wie sie die Werke nennen, haben sie fast alle selbst gelesen. „Es gibt immer wieder interessante, neue Autoren, überraschende Sujets, sprachliche Verarbeitung von Stoffen.“

Auf einem alten Notenständer stehen Bücher über Hexen und Feen. Nebenan in einem alten hölzernen Regal liegen weitere Kinderbücher: Bilderbücher. Vorlesebücher. Kinder- und Jugendromane. Sie wecken Detektiv- und Abenteuerlust. Erzählen Helden wie auch Gruselgeschichten. „Bücher leben Leben vor. Ein Kind, das viele Bücher gelesen hat, versteht die Welt sicher schon besser, als ein Kind, dem nicht vorgelesen wurde oder das selbst auch nicht liest.“ Hoffmanns beraten Kinder, Eltern und Großeltern. „Hat das Kind Leseerfahrung? Wovon schwärmt es, wovon träumt es?. Muss es Prinzessin oder Pirat sein? Im Nu sind wir im Gespräch.“ Eindrucksvoll seien auch die Kinder, die mitwachsen, die bei ihnen vielleicht das Lesen gelernt haben, inzwischen junge Leute sind und selbst schon fachsimpeln.

„Ich selbst war ein Lesemuffel“, bekennt Katrin Hoffmann, obwohl in ihrer Familie viel gelesen wurde. Der Vater, ein total bibliophiler Mensch, las ihr vor, doch sie selbst mochte bis zur 5. Klasse nicht lesen. Darüber war er sehr unglücklich. „Bis wir in der Schule Käuzchen Kuhle kennenlernten. „Das war die Initialzündung. Ich verkroch mich hinterm Sofa, verweigerte, das Geschirr abzuwaschen oder den Müll runterzutragen. Ich musste lesen und wollte gar nicht mehr aufhören.“

Vor der Verlagsgründung arbeitete Katrin Hoffmann als Journalistin für eine Tageszeitung. „Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, über Kreistage und Kaninchenzüchter Vereine zu schreiben.“ Und Peter, der schon immer gern las und ihm auch das Schreiben von Texten vertraut war, hatte als Ökonom den Blick auf die Zahlen. „Da passte es gut mit uns beiden. Wir sind Büchermenschen durch und durch“ bekräftigt er.

Traurig sei es für die Buchhändler, wenn vertraut gewordene Kunden, an deren Leben sie teilhaben, wegziehen müssen. „Manche, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können oder andere, die gar versterben. Sie alle gehören mit zu unserem Leben dazu. Wenn es die in der Stadt dann nicht mehr gibt, das ist schon sehr berührend“, bedauert Peter Hoffmann.

Kennenlernte sich das ost—westdeutsche Paar über Freunde. „Wir trafen uns erst einmal, dann zweimal, küssten uns und wenige Monate darauf haben wir geheiratet“ erinnert sich der Mann aus dem Westen. Und nun ging es bei den beiden Leseratten darum, aus zwei Privatbibliotheken eine zu machen. „Anna Seghers zum Beispiel, die wurde erst mal raus geräumt.“ Der Zugereiste rettete sie noch rechtzeitig. „Eine tolle Autorin, einst von der Bücherverbrennung betroffen, wurde sie auch nach der Wende vielerorts verschmäht. Man fand sie auf der Straße in vielen Papiercontainern.“ Spannend war der Austausch der deutsch-deutschen Leseratten, die in zwei unterschiedlichen Staaten aufgewachsen sind.„Wir sind zum Beispiel beide Fans von Bertold Brecht. Nur, dass ich alles von Brecht gelesen hatte und er alles über ihn. Brecht war immer eine Brücke für uns“, so die Journalistin.

In weltanschaulichen Dingen gab es keine Widersprüche. Fragen tauchten auf. Was hast du gelesen, was ich. Mit welchen Kinderbüchern bist du gross geworden. Wie sah euer Sandmännchen aus.? Wie hast du in der Disco getanzt, was für Filme gesehen, welche Musik gehört. Das war weltoffener, echter Kulturaustausch. „Ich habe mir die westlichen Kindersendungen angesehen und er hat sich die Pudhys und Karat angehört“, erinnert sich die Frau aus dem Osten. „Wir befragten uns zuweilen auch: Was war besser, was anders? Welche falschen Abzweigungen haben die Deutschen genommen oder welche Gelegenheiten versäumt oder ausgelassen? Warum kann man den Ostdeutschen ihre Geschichte nicht lassen? Die Brüche, die die Ostdeutschen erlebt haben, ihre Existenzen und Gewissheiten, die sie verloren, all das hinterließ Spuren.

Verlagsbuchhandlung Peter und Katrin Hoffmann in Stralsund

Die Strandläufer Verlagsbuchhandlung wurde zweimal mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. 2018 wurden sie in den Kreis der schönsten Buchhandlung der Bundesrepublik aufgenommen. Die Nachricht, dass ihr Lädchen für einen Preis der Londoner Buchmesse in der Kategorie „Bookstore of the Year 2023“ nominiert wurde, führte zu einer Welle von Sympathiebekundungen in der Stadt. Eine erste deutsche Buchhandlung auf dieser internationalen Bühne - eine große Ehre für die Verleger und Händler. „Bei uns gibt es ja auch das beste und schönste Buch der Welt“, behaupten sie. „Welches das ist, verraten wir dem neugierigen Kunden aber erst beim nächsten Treff in unserem Laden, damit die Leute wiederkommen“, erklärt Peter Hoffmann scherzend. Beim Verlassen des Ladens steckt er den Kunden noch ein Prospekt zu für bevorstehende Lesungen oder empfiehlt ein schönes Fischrestaurant oder den Besuch des Stadtmuseums gleich nebenan in ihrem Haus.

Ein Beitrag mit Foto für ReiseTravel von Christel Sperlich

Christel Sperlich ReiseTravel.euFernsehjournalistin Christel Sperlich entdeckt gern die ungewöhnlichen Geschichten hinter dem Abenteuer Reisen.

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