Bernhard Arenz

Herausforderung Elbphilharmonie aus Sicht des Arbeitsschutzes

Sehr geehrte ReiseTravel User,

die BG Bau hat ein ganz konkretes Bild vom Bauwerk Elbphilharmonie, ein wahrlich erstaunliches Bauwerk, das hier entsteht!

Ich möchte Ihnen gern erläutern, wie die Prävention der BG BAU die am Bau der Elbphilharmonie beteiligten Firmen beim Arbeitsschutz unterstützt.  

Lassen Sie mich unsere Position grundsätzlich erläutern:

Vorrangige Aufgabe der BG BAU ist die Prävention, das heißt die Unterstützung der am Bau Beteiligten bei der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Dieser Grundsatz stammt aus den Anfängen der Berufsgenossenschaften und hat bis heute Bestand, bzw. gewinnt, auch über die Gesetzgebung der Europäischen Gemeinschaft, immer mehr an Bedeutung.

Eine erfolgreiche Prävention bedeutet weniger menschliches Leid bei den Betroffenen, Vermeidung von unfall- oder gefährdungsbedingten Störungen des Bauablaufs, zufriedenere Mitarbeiter die sich „gut aufgehoben“ fühlen und motivierter an ihre Arbeit gehen und Vermeidung unfallbedingter Kosten, die der Unternehmer über seine Preise an die Kunden weiter geben muss.

Die Umsetzung der zu einer erfolgreichen Prävention notwendigen Maßnahmen liegt im Wesentlichen in der Hand der ausführenden Firmen. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei nach besten Kräften zu unterstützen oder auch mal zu bremsen, wenn Fehler auftreten, die zu Gefährdungen führen. 

Bernhard Arenz, Leiter der Bezirksprävention Wuppertal der BG BAU  

Wir verstehen uns als Partner der Bauwirtschaft. In unserer Arbeit gewinnt die Beratung und Unterstützung unserer Mitgliedsbetriebe bei der Beurteilung der vielfältigen Gefährdungen, Erfüllung neuer gesetzlicher Vorgaben, der Planung und Umsetzung von Gegenmaßnahmen und der Überwachung bei deren Realisierung auf den Baustellen immer mehr an Bedeutung. Dabei greifen wir auch auf unseren großen Erfahrungsschatz  zurück, den wir im Laufe der Zeit durch unsere Überwachungstätigkeit und Untersuchung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gewonnen haben.

Große Bauvorhaben – wie die Elbphilharmonie in Hamburg – stellen zum einen  immer erhöhte Anforderungen an den Arbeitsschutz aufgrund von gegenseitigen Gefährdungen der vielen ausführenden Firmen verbunden mit dem gleichzeitigen Tätigwerden von hier in Hamburg bis zu 400 Bauarbeitern auf engstem Raum. Durch den üblicherweise herrschenden Termindruck wird diese Situation noch verschärft.

Zum anderen erwachsen aus architektonischen und bautechnischen Herausforderungen fast immer auch besondere Herausforderungen an den Arbeitsschutz. Um diesen arbeitsschutztechnischen Herausforderungen gerecht zu werden, sind auf der Baustelle Elbphilharmonie viele erwähnenswerte besondere Maßnahmen umgesetzt worden. Bei diesen Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Bauarbeiter handelt es sich unter Anderem um:

Kombinierte Absturz- und Wetterschutzmaßnahme
Mit einem speziellen Absturz- und Wetterschutz werden die jeweils obersten 3 Etagen des Rohbaus vollständig umschlossen. Ein- und Ausschalarbeiten, Bewehrungs- und Betonierarbeiten sowie die Montage des Seitenschutzes an den Deckenrändern werden alle hinter dem Absturz- und Wetterschutz ausgeführt. Die vollflächig geschlossenen Elemente der Schutzeinrichtung sind ca. 11 m hoch, 3 m breit und ca. 1.500 kg schwer. Der Spalt zwischen Deckenrand und Schutzwand wird zum Schutz gegen herabfallende Gegenstände mit Klappen gesichert.
Die Schutzwand überragt die oberste Arbeitsebene um etwa 2,50 m und bietet dadurch den Betonbauern einen erheblichen Schutz vor Wind und damit vor Auskühlung, was während der kalten Monate und einer Lage des Bauvorhabens direkt am Elbstrom von besonderer Bedeutung war. Außerdem mindert der Absturz- und Wetterschutz die von der Baustelle ausgehende Lärmbelastung auf die Umgebung.

Die Idee zu dieser Maßnahme kam ursprünglich von unserer vor Ort zuständigen Aufsichtsperson Herrn Pfannenstiel. Zur täglichen Arbeit unserer Aufsichtpersonen gehört auch das Bekanntmachen und Weitergeben von Best-Practice-Beispielen. Auf einer anderen Baustelle hatte Herr Pfannenstiel zuvor eine ähnliche Maßnahme wie den kombinierten Absturz- und Wetterschutz als eine gute Schutzmaßnahme kennen gelernt.

Übergabebühne für Material: Spezielle Übergabebühnen ermöglichen eine sichere Transportübergabe von Baumaterial, Schalung und anderen Arbeitsmitteln als Schnittstelle für den Baustellentransport außerhalb und innerhalb des Bauwerks.
Auch solche Übergabebühnen, auf die gleich noch näher eingegangen wird, hatte Herr Pfannenstiel bereits auf vorherigen Baustellen angetroffen. Diese Bühnen bieten nicht nur ein hohes Maß an Sicherheit, sondern sind aufgrund geringer Montagezeiten auch wirtschaftlich interessant. Deshalb empfiehlt Herr Pfannenstiel auf großen Hochbau-Baustellen den Einsatz dieses Best-Practice-Beispiels. Beim Bauvorhaben Elbphilharmonie waren die Voraussetzungen für den Einsatz dieser speziellen Übergabebühnen besonders günstig, weil das eigene Tochterunternehmen von Hochtief, die Firma Streif-Baulogistik, solche Bühnen selbst anbietet.
Die zum Einsatz gekommenen austragenden Bühnen haben eine Fläche von 3 x 5 m und sind mit 450 kg/m² belastbar. Material wird mittels Kran auf die Plattform transportiert und von dort aus zum Beispiel mit Hubwagen ins Gebäudeinnere befördert. Es entsteht kein Höhenversatz zwischen Oberkante Plattformbelag und Betondecke. Die Bühnenränder sind mit Seitenschutz und Holzplatten gegen Absturz und Herabfallen von Kleinteilen gesichert. Durch den Einsatz solcher Übergabebühnen werden Improvisationen auf der Baustelle vermieden, die häufig zum Schrägzug mit dem Kran sowie zu Transportübergabestellen ohne Absturzsicherung führen.

Winterschutzmaßnahme: Während der Kälteperiode im Winter wurden die unteren Etagen, in denen der Innenausbau bereits begonnen hatte, beheizt. Dazu wurden alle Außenwandöffnungen und nicht beheizte Bereiche des Gebäudes mit Isoliermatten verschlossen. Anschließend wurden die isolierten Bereiche, die sich über mehrere Etagen erstreckten, auf ca. 10° C beheizt bei Außentemperaturen von -10° C und kälter.

Personen- und Materialbeförderung: Außen am Gebäude wurden 2 Bauaufzüge mit Personenförderung (Fa. Alimak) montiert, die entsprechend dem Baufortschritt mit gewachsen sind. Außerdem sind auch 2 innen liegende Personenaufzüge bis  zum 8. und bis zum 12. OG bereits während der Rohbauarbeiten in Betrieb genommen worden. Üblicherweise werden diese Aufzüge erst zum Ende der Baufertigstellung montiert. Alle 4 Aufzüge werden auch zum Materialtransport eingesetzt. Durch diese Maßnahme werden körperliche Belastungen der Bauarbeiter durch Treppensteigen verbunden mit Materialtransport erheblich reduziert.
 

Zutrittskontrollsystem: Die Baustelle kann nur über einen Zugang betreten werden,  der von einem Pförtner überwacht wird. Alle Bauarbeiter werden vor ihrem Einsatz auf der Baustelle mit Namen und Firmenzugehörigkeit erfasst und erhalten einen Zugangsausweis. Besucher werden ebenfalls mit Namen und Betriebszugehörigkeit erfasst, jedoch ohne Ausstellung eines Zugangsausweises.
Bei einer Evakuierung der Baustelle aus Übungszwecken hat das Zugangskontrollsystem einwandfrei funktioniert. Mit diesem System ist zu jedem Zeitpunkt bekannt:

+wie viele Personen sich auf der Baustelle befinden,

+wie diese Personen heißen und

+für welche Firmen sie arbeiten

Trotz des hohen Gefahrenpotentials und der umfangreichen Bauleistungen ist die Anzahl der mittelschweren oder sogar schweren Unfälle sehr gering. Der BG BAU sind während der bisherigen 3jährigen Bauzeit mit bis zu 400 Bauarbeitern pro Tag noch nicht einmal 10 meldepflichtige Arbeitsunfälle angezeigt worden.

Die Herausforderungen des Arbeitsschutzes eines solchen Bauvorhabens wie die Elbphilharmonie können nur im Team gemeistert werden. Dazu gehört auch die Prävention der BG BAU, die im Vorfeld durch entsprechende Beratungen auf die Umsetzung von optimalen Arbeitsschutzmaßnahmen hingewirkt hat.

Dies ist allerdings in der hier praktizierten Form nur mit einer hohen Kooperationsbereitschaft der ausführenden Firmen möglich. Für diese Kooperationsbereitschaft möchten wir uns deshalb bei der Firma Hochtief und allen voran seinem Oberbauleiter Herrn Kaiser ausdrücklich bedanken.

Da sich die Baustelle ständig verändert, beteiligt sich unser Sicherheitsexperte aus der Prävention –Andreas Pfannenstiel – regelmäßig an den Sicherheitsbegehungen der Baustelle, bringt sich mit Rat und Tat ein und sucht gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen nach praktikablen Lösungen für den Arbeitsschutz.

Unser aller Ziel ist es, dass jeder Arbeitnehmer die Baustelle nach getaner Arbeit gesund verlässt. Wir arbeiten als Präventionsabteilung der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft engagiert mit an diesem hochgesteckten Ziel.  

Sehr geehrte ReiseTravel User,

ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Einblick in den Arbeitsschutz auf der Großbaustelle Elbphilharmonie Hamburg geben. Vielen Dank.

Ihr

Bernhard Arenz

Leiter der Bezirksprävention Wuppertal der BG BAU - www.bgbau.de

 

Ein Beitrag für ReiseTravel von Gerald H. Ueberscher.

 

Sehr geehrte ReiseTravel User, bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung, senden uns Ihre Fragen oder Wünsche. Vielen Dank.  

Ihr ReiseTravel Team: feedback@reisetravel.eu

 

 

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