Follonica

Wann wirst du wachgeküsst Follonica?

Ja, die Toskana! Die Schönheiten dieser oft wunderbaren Landschaft sind bekannt, all die tradierten Klischees bestätigen sich meistens. Aber im Mittelteil, zum unteren Ende hin, gegenüber der Insel Elba, liegt die eher unbekannte, „sprödere“ Toskana, rund um die Stadt Follonica im Maremma-Gebiet. Hier im „gewöhnlichen“ Italien muss man die Schönheiten suchen, die sind aber in vielen Kleinigkeiten doch zu finden. Über der ganzen Gegend liegt eine gewisse Vergessenheit, die Zeit scheint irgendwann zwischen den 50er- und 70er-Jahren irgendwie stehen geblieben zu sein. Sei es an den Stränden, in den Hotels, in Ferienanlagen, sogar auf Golfplätzen. Ein wenig Modernität ist in die Restaurants und Bars eingezogen, auch weil da wohl ein Generationenwechsel stattgefunden hat. Also machen wir mal eine kleine Zeitreise und schauen näher hin!

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Follonica ist auf dem ersten Blick nicht hübsch, auch auf dem Zweiten nicht viel mehr. Viele Zweckbauten, Gewerbegebiete, ein wenig Altstadt am Meer mit einer etwas ungeordneten Strandpromenade, überragt von einem hässlichen, mehr als 20- stöckigen Hochhaus, wohl mehr als 40 Jahre alt. Die Aussicht von ganz oben aber muss sehr schön sein, geht doch der Blick auf das Meer hinaus, auf die Inseln Elba, Pianosa, Porto, bis hin zum weiter entfernten Korsika, zumindest wenn man auf der richtigen Seite wohnt. Und auch zur Insel Giglio, wo ein „Möchtegern-Kapitän“ am 13.01.2012 mal zeigen wollte was er kann, aber dann doch nicht konnte, mit dem Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ einen Felsen rammte und schließlich auf Grund lief. Übrigens hatte das Schiff schon mal im November 2008 die Hafenanlagen von Palermo getroffen.

Aber die Stadt und Gemeinde mit etwas mehr als 20.000 Einwohnern am Thyrrenischen Meer hatte auch nie richtig Gelegenheit „schön“ oder „romantisch“ zu werden, begann sie doch im 19. Jahrhundert als einer der wichtigsten Hüttenzentren für Eisengießerei. Die brauchten Arbeiter und die mussten auch wohnen, also baute man Wohnhäuser, keine Paläste oder Traumvillen. Bereits zu etruskischer Zeit gab es auf dem heutigen Gemeindegebiet Anlagen zur Verhüttung von Eisenerz. 1960 wurde das Werk in Follonica endgültig geschlossen. Der wichtigste Wirtschaftsfaktor der Gemeinde, neben klein- und mittelständischer Industrie, ist heute der sommerliche Badetourismus am langen Sandstrand, der sich ab den 1960er Jahren entwickelte. Und von ab da hat sich wohl auch nicht viel geändert. Etwas außerhalb der Stadt kämpft man mit dem Meer, das klaut nämlich den Strand weg, mit Felsbarrieren versucht man dagegen zu halten. Am Strand in der Stadt gibt es noch viele kleine Häuschen, meist nur im Sommer bewohnt, manche Privatperson tut sogar etwas zur Erhaltung. Würde man das mal allgemein machen, wäre das ein richtiger Anziehungspunkt. Richtig schön sind einzelne große Waldstücke mit mehr als 20 m hohen Pinien, zwischendurch auch ein paar Zypressen. Da lässt es sich bei heißen Temperaturen prächtig im Schatten sitzen. Oder gleich in einem der Restaurants an der Uferpromenade, wo die Preise sich noch im durchweg gemäßigten Rahmen bewegen. Auf einer Plattform ins Meer hinaus gebaut, erfreut das „Hotel Ristorante Piccolo Mondo“ an der Strandpromenade. Da gibt es ein Zimmer zu besichtigen, in dem Liz Taylor und Richard Burton in der 1. Juli-Woche 1962, während der Dreharbeiten zum Film „Cleopatra“, einige Tage (und Nächte) verbrachten. Man hat das Zimmer mehr oder weniger so belassen, wer will, kann es auch buchen.

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Nach all den Besichtigungen wird es Zeit, auch mal etwas zu essen. Und das tun wir am Abend im Restaurant unserer Unterkunft, dem „Vilaggio MareSi“, einem Bungalowdorf. Eigentlich eine schöne Anlage, liegt aber nicht direkt am Meer, sondern zwischen einer stark befahrenen Straße und einer Bahnstrecke. Vorher noch schnell in den Pool hüpfen, wäre gut. Geht aber nicht, es ist schon recht warm und sonnig gegen Ende Mai, aber jetzt fängt man erst an die Becken zu säubern, schade. Was uns dann aufgetischt wird, ist aber grandios, die Küche überschlägt sich förmlich mit leckeren Gerichten. Nach dem Einstimmungs-Prosecco kommt ein Rotwein „Falcorosso“ aus Suvereto, als Antipasti eine große Auswahl von Salami aus der Maremma, Wildschweinschinken und Würstchen, geröstetes Brot mit Lardo-Speck, umgeben von allerlei delikaten Kleinigkeiten, zwei Sorten Pecorino-Käse mit Honig, gefolgt von mit Steinpilzen gefüllten Tortellini, ein Rinder-Filet mit Kartoffeln und Broccoli und zum Schluss noch Erdbeer-Tiramisu mit einem „La Cura Il Predicatore“-Süßwein. Italienische Küche, wie sie nicht besser sein kann.

Am nächsten Tag schaut sich unsere kleine Gruppe gut ein Dutzend Hotels und Ferienanlagen in der Stadt und der näheren Umgebung an, einige sind vorsichtig renoviert. Allerdings habe ich das Gefühl, das viele der Unterkünfte nicht mehr so ganz zeitgemäß für die Ansprüche z. B. heutiger Urlauber sind, die Zimmer zu klein, zu viele Betten drin, man könnte aus zwei Hotelzimmer eins machen, dann ginge das auch für Familien, zumal die Preise gut erträglich sind. Die Hotelanlagen sind meist sehr schön und gut gelegen, bedürfen aber oft dringend der Renovierung und Modernisierung. Potentiale und Möglichkeiten sind offensichtlich vorhanden und bieten gute Möglichkeiten zum Ausbau. Wer sich allerdings gerne mit Nostalgie umgibt, ist hier genau richtig.

Follonica selbst könnte auch viel mehr aus sich machen, besonders mit der Einbeziehung des Umlands, z. B. des „Parco di Montioni“, zu dem wir uns jetzt aufmachen. Eigentlich darf man da nicht mit dem Auto rein fahren, es gibt große Parkplätze außerhalb, aber wir haben eine Ausnahmegenehmigung. Der interprovinzielle Park ist ein Naturschutzgebiet von etwa 7.000 ha zwischen den Becken der Flüsse Cornia und Pecora. Die vielen kleinen bis mittelhohen Berge sind dicht mit Bäumen, hauptsächlich Zerreichen, Koniferen und mediterraner Macchia bewachsen. Besonders bemerkenswert ist der große Pilzreichtum der Gegend. Eine gute Umgebung für Tiere wie Hirsche, Rehe, Wildschweine, auch soll es Wildkatzen, Marder und Stinktiere geben, daneben eine ausgeprägte Vogelwelt mit vielen Raubvögeln. Für Wanderer und Radfahrer eine ideale Gegend, es gibt auch Unterkünfte in der Nähe. Von einem Aussichtsturm aus hat man einen guten Überblick, besonders auch auf die vielen kleinen naturbelassen hübschen Strände, die man gut von den Parkplätzen erreichen kann. Der Park, durch die Provinzen Grosseto und Livorno verwaltet, liegt auf den Gebieten der Gemeinden Follonica, Massa Marittima, Grosseto, Suvereto, Piombino und Campiglia Marittima.

Nach so viel Natur meldet die sich auch im Magen und so gehen wir am frühen Abend in einer Seitenstraße von Follonica ins Restaurant „Scalo del Granduca La Saletta“ und lassen uns vom Koch Paolo Santi mit einem prächtigen Mahl verwöhnen. Zur Einstimmung kommen Panzanella, geröstete Brotscheiben mit Öl, Salz, Essig, Tomaten und Kräutern. Es folgt ein Tartar mit Trüffelhaube, umgeben von einer Creme aus Pecorino und Olivenöl, eine köstliche Zusammenstellung. Wein ist auch schon da, besonders angenehm die Rotweine, ein Shiraz Costa Toscana Rosso 2012 aus Monterotondo und ein sehr guter Valentini Sangiovese 2014 aus der Massa Maritima. Brot nehme ich zum nächsten Gericht, eine Suppe aus Innereien gekocht, diese speziell lasse ich liegen, die Suppe aber schmeckt richtig gut. Große Tortellini nach Art der Maremma mit Ragout und Käse gefüllt mag ich viel lieber, also sollen sie auch gegessen werden. Dann erscheint der Chef, bedrohlich mit einem spitzen Messer bewaffnet, zudem trägt er eine große Platte, darauf fast gestapelt auf den Punkt gegrillte dicke T-Bone-Steaks, „Bistecca alla Fiorentina“, die er kunstgerecht in handliche Stücke tranchiert und mit Gemüse der Saison umgibt. Wir müssen nur noch essen, Paolo strahlt, denn es bleibt nichts übrig. Wohin sollen dann noch die knusprigen Cantuccio, die typischen toskanischen Kekse? Ganz einfach, eingetaucht in den süffigen Süßwein „Santo“ vom Weingut Serraiola aus der südlichen Toskana, gehen sie dann doch den Weg alles Irdischen.

Weg ist auch das richtige Wort für das Ziel am nächsten Morgen, runter zum Meer, zur Marina di Scarlino und wir kommen nach gut 5 km in der Gegenwart an. Das Resort liegt in der vielleicht schönsten Bucht der Toskana, im Rücken die sanften Hügel der Maremma mit spektakulärem Blick auf die Burg von Scarlino, Richtung Meer der direkte Blick auf Elba. Rund um den Hafen gruppieren sich Apartments und bieten einen schönen Blick auf Meer und Inselwelt. Jedes Apartment verfügt über mindestens ein bis zwei Schlafzimmer, Wohnraum mit Küche sowie ein bis drei Terrassen. Die jeweilige Wohnfläche beträgt zwischen 48 und 123 qm. Eine gelungene Kombination von luxuriösem Wohnen und Yachtclub, man legt man mit seiner Yacht praktisch an der eigenen Haustür an. Sofern man eine hat, dort wohnen aber geht auch ohne Schiff. Damit ist man im Heute angekommen, eine schöne Anlage im angenehmen Design.

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Das kann man auch für den Golfanlage „Cordial Hotel & Golf Resort Il Pelagone“ sagen, etwas mehr als 10 km von Follonica entfernt. Die ganzjährig bespielbare 18-Loch-Anlage (PAR 71, S.S.S. 70) liegt inmitten einer malerischen Hügellandschaft mit Blick auf Olivenhaine und Zypressen. Aufgrund des milden fast frühlingshaften Klimas auch in der kühleren Jahreszeit, kann man das ganze Jahr dem Golfvergnügen frönen, der kleine hoteleigene Strand ist 18 km entfernt. Der anspruchsvolle Golfplatz, entworfen von Keith Preston, entspricht internationalen Standards, mit Golfschule, großzügiger Driving Range mit 7 überdachten Abschlägen sowie zwei Putting-Greens. Es gibt einen großen Swimming-Pool mit Kinderbecken, einen Wellnessbereich mit Sauna, Dampfbad usw., Tennisplätze, Tischtennis und vieles mehr. Im Restaurant „Le Cerretelle" und im Ristorante & Bar "TU" zaubert Küchenchef Fausto D´Angelo Köstlichkeiten der maremmanischen Küche. Die 123 Appartements sind mit Sat-TV, Telefon, Radio, Minibar, Safe, Klimaanlage und Badezimmer mit Dusche ausgestattet und besitzen einen Balkon oder Gartensitzplatz und liegen inmitten von Oleandern, Pinien und Zypressen in einer sehr schönen Gartenanlage. Allerdings besteht immer noch -trotz Renovierung der Bungalows im Borgo-, erheblicher Renovierungsstau, Follonica eben ist nicht weit weg. Allerdings meinte die österreichische Leitung, den Gästen würde das gefallen.

Auf dem Rückweg entdecken wir am Wegesrand eine Menge Esel in einer großen Anlage, die „Associazone Asiniamo“, die schauen wir uns an. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Beziehungen zwischen Mensch, Tier und Natur zu verbessern, auch auf therapeutischer Basis. Man kann mit den Eseln ausreiten, Trekkingaktivitäten unternehmen, oder einfach nur ein paar nette Stunden im Kontakt mit den großen schönen Tieren verbringen.

Zurück in Follonica wird es langsam Zeit für das Abendessen, zuvor nehmen wir in einer Bar in der Fußgängerzone einen Aperitif und lassen entspannt die Menschen an uns vorbei laufen. Auf einem Tisch werden ständig neue leckere Kleinigkeiten serviert, verschiedene Salate, Pizzastücke, geröstete Brote mit Salami und Schinken, in Olivenöl eingelegtes gebratenes Gemüse, marinierte Fische und Meeresfrüchte und vieles mehr, eigentlich könnte man schon dabei bleiben und so für wenig Geld satt werden. Aber das „Ristorante Il Sottomarino“ an der Uferpromenade wartet auf uns, Vater und Sohn Pagana Sgalli haben sich ins (Meeres) Zeug gelegt und servieren zuerst schwarze Gnocchi mit Speck und Tintenfischstreifen, gefolgt von Garnelen auf einem Nudelteig mit Tomaten und gerösteten Zwiebeln. Ein köstliches Safran-Risotto mit Pilgermuscheln mit einem feinen Zitronenaroma erfreut sehr, genau wie der getrocknete Fisch mit Thymian-Note auf Kartoffelpüree. Abschluss der gelungenen Köstlichkeiten bildet ein nicht so süßes Halbgefrorenes mit den speziellen Pistazien aus Bronte. Sehr gut dazu passt der weiße Wein, ein Auramaris Vermentino 2013 aus der Maremma, ein schöner Abend mit gutem Essen am Meer, eben Italien von seiner besten Seite.

ReiseTravel Fact: Am folgenden Morgen steht die Abreise an, Zeit für den Besuch der Museen für Kunst aus Gusseisen „Magma“, oder des Eisenmuseums „Forno S. Ferdinando“ auf dem Gelände Ex-Ilva, oder des „Aquapark“ mit den vielen Wasserrutschen bleibt leider nicht mehr. Aber möglicherweise komme ich noch mal nach Follonica, vielleicht zum bekannten Carnevale Follonichese, der jedes Jahr während der vier Sonntage zwischen Ende Januar und Anfang Februar stattfindet, wobei Karnevalswagen der sechs verschiedenen Stadtviertel mit allegorischen Masken durch die Stadt ziehen. Vielleicht wurde Follonica ja bis dahin wachgeküsst!

Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Wolfgang Grüner

Wolfgang Gruener ReiseTravel.euUnser Autor Wolfgang Grüner ist freier Journalist für Touristik, Kulinarik und Musik und lebt in Köln.

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