Baiersdorf

Gourmet Reise in die Fränkische Schweiz zu Kulinarik und Genuss

Die scharfe Königin: Freundlich lächelt die „scharfe Königin“ Isabella I. im Restaurant „Millers Storchennest“  www.millers-storchennest.de in Baiersdorf, als sie mich zum Gespräch empfängt. Scharf deswegen, weil sie seit einigen Monaten die „Bayerische-Meerrettich-Königin“ ist und damit die Fränkische Schweiz und den dort erzeugten Meerrettich repräsentiert.

scharfe Königin“ Isabella I.

Königin wird man, wenn man ein sicheres und gewinnendes Auftreten hat, viel über die außergewöhnliche Pflanze und deren breite Verwendungsmöglichkeiten weiß, von der Essenszubereitung bis hin zum medizinischen Einsatz. Der Königinnen-Gatte und sie betreiben das Storchennest und ihr Motto „Mit dem Herzen in Franken mit den Gedanken auf kulinarischen Reisen“ kann man in der kleinen, aber hochfeinen Speisekarte gut nachvollziehen. Da überraschen kluge und gewagte Verbindungen, finden sich logisch zusammen und kreieren so überraschende und deliziöse Ergebnisse. „Wir verwenden in unseren Gerichten regionale & saisonale Produkte mit Einflüssen aus aller Welt, kennen den Wert unserer Produkte und achten auf eine gute Zubereitung. Insofern ist es für uns eine Selbstverständlichkeit auf Geschmacksverstärker und künstliche Aromen zu verzichten“ betont die Königin. Natürlich stehen (nicht nur) im Oktober Gerichte mit Meerrettich auf der Karte, muss auch sein, schließlich wird man jetzt hier tatsächlich königlich bedient.

Im Meerrettich-Museum: Ich will mehr über Meerrettich, Kren, Grien, Pfefferwurzel, Wasabi, wissen und mache mich auf in das „Meerrettich-Museum“ in der Judengasse 11 in Baiersdorf  www.schamel.de/de/meerrettich/meerrettich-museum-baiersdorf.html  . Geöffnet ist es Samstag und Sonntag von 10.30 bis 17.00 Uhr, auch zu anderen Zeiten nach Voranmeldung. Das schärfste Museum der Welt hat 1996 die Firma „Schamel“, die sich schon seit 1846 mit der magischen Wurzel beschäftigt, eingerichtet. In Verbindung mit dem Heimatverein war die Idee der historischen Sammlung, die Bedeutung des „Kren“ als Gewürz- und Heilpflanze von früher bis heute deutlich zu machen, sowie die Historie als ein Stück fränkischer und bayerischer Kultur- und Wirtschaftsgeschichte zu erzählen. Der profunde Kenner Klaus-Jürgen Hetz führt mich herum, informiert über Anbau, Verarbeitung und Verwendung der Gewürz- und Heilpflanze früher und heute, erklärt kompetent und leicht verständlich, demonstriert praktisch und kennt zu jedem Bild, zu jedem Gerät eine interessante Geschichte. Die Wurzel wächst in einem in einem Streifen von USA, Mitteleuropa bis ins Baltikum, über China bis nach Japan, braucht einen besonderen Boden und viel Feuchtigkeit, geradezu ideale Bedingungen die die Fränkische Schweiz bietet.  Meerrettich ist appetitanregend, magenstärkend, verdauungsfördernd, gut für die Durchblutung von Magen und Galle, Stoffwechsel aktivierend, stärkt das Immunsystem, senkt den Blutdruck, stärkt den Kreislauf, verjüngt die Haut, ist gut gegen Rheuma und Kopfschmerz, ist antibiotisch und stark desinfizierend und vieles mehr. Für mich zählt aber nur eines: Er schmeckt einfach höllisch gut! Neben dem reinen unveränderten Meerrettich im Glas gibt es im Museum auch zu sehen welche verschiedene Mixturen, mal mit Sahne, mit Beeren, Apfel, Senf, Ketchup, Remoulade und mehr die Firma im Laufe der Zeit hergestellt und vertrieben hat. Die große Überraschung entdecke ich fast zufällig, es gibt von Schamel auch einen Ungewöhnlichen aber vorzüglichen 40 o/o vol. „Bayerischen Meerrettich Schnaps“ mit Akazienhonig, sowie den „Baiersdorfer Krenwurz“, einen 35 o/o vol. Meerrettich-Kräuterbitter, kräftig und gewöhnungsbedürftig, habe ich vorher noch nie irgendwo gesehen. Ein interessanter Film aus den 50er Jahren rundet das Programm ab, welch ein Unterschied zu heute, viele Frauen hatten damals viel Arbeit und mussten sogar, wegen der starken ätherischen Öle, beim Reiben der Wurzel, Gasmasken tragen.

Selbst kochen in der Schule: Allmählich stellt sich Appetit ein, etwas mit Meerrettich zu essen wäre gut. Aber vor dem Genuss muss noch gearbeitet werden, ich nehme deshalb in der Volksschule in Ebermannstadt an einem Kochkurs der Volkshochschule teil und lerne mit anderen Teilnehmern unter der fachkundigen Führung von Brigitte Justen-Steinmetz gleich 10 Gerichte herzustellen. Wir bereiten zu: Kastanien-Quiches mit Zucchini, Kürbis-Melonen-Suppe, Chinakohl mit Papaya, Brokkoli-Flan mit Meerrettichsoße, Meerrettichflan mit Rote Beete-Carpaccio und Honig, Kürbis-Schnitzel mit Meerrettichsoße, Fränkische Bratwurst-Meerrettich-Baggers auf würzigem Kresseschaum, Tafelspitz mit Meerrettichsoße, Lachstatar mit Meerrettichcreme und Ziegenkäse-Meerrettich-Mousse auf Preiselbeercoulis und gebratenen Apfelspalten. Lediglich der Tafelspitz war schon vorbereitet. Nach gut 1 ½ Stunden haben wir tatsächlich alle Gerichte fertig und genießen, müde aber glücklich, unsere Gerichte, die (fast) alle gelungen sind und tatsächlich richtig gut schmecken. Ohne die sachkundige Hilfe und den Kochverstand der Leiterin wäre das sicher so nicht möglich gewesen. Allerdings sollte man die VHS mal insgesamt mit besserem Handwerkszeug, z. B. gute Messer, ausstatten, das würde die Arbeit und den Spaß deutlich verbessern. Ein gutes Bier soll den Abend abrunden und das genehmige ich mir im „Hotel-Restaurant Schwanenbräu“ in Ebermannstadt www.schwanenbraeu.de , wo ich auch übernachte. Ein Lagerbier Dunkel aus der hauseigenen Brauerei ist ein Genuss, begleitet wird es von einem erlesenen Waldhimbeergeist aus der eigenen Produktion, den die freundliche Chefin Frau Dotterweich spendiert. Neben einer gediegenen Speisekarte verdient insbesondere die Auswahl edler Schnäpse besondere Aufmerksamkeit.

Scharfe Wochen

Auf dem Acker: Der nächste Morgen beginnt schon früh, draußen auf dem Acker. Mit den Bauern Herrn Kröner und Herrn Roß habe ich mich verabredet, um mir ein Meerrettich-Feld in Baiersorf anzusehen, die tolle Frucht sozusagen live zu erleben. Viel Grün in kräftigen Blättern ist oben zu sehen, aber erst als ausgegraben wird, ist eine verzweigte Wurzel zu sehen. Ich breche ein Stück ab, säubere es und probiere. Riecht nach Meerrettich, schmeckt danach und dann explodiert es im Mund, die exorbitante Schärfe schlägt zu, gut, dass ich eine Flasche Wasser bei mir habe. Die Bauern erklären mir den Anbau, die Kniffe und Tricks, Probleme und Schwierigkeiten und aus allen spricht viel Liebe zum Ergebnis. Es ist eine Menge Handarbeit notwendig, um solide zu ernten, rund 1000 Stunden für 1 ha. Erklärt wird zudem leicht verständlich die ganze bäuerliche Arbeit auf einer informativen Schautafel am Rande des Parkplatzes.

Die Fränkische Schweiz

Scharfe Wochen

Auf der Weiterfahrt nach Kirchehrenbach sehe ich, dass das hier auch Kürbisgebiet ist, lustig dekoriert werden die Früchte in Gosberg angeboten. Bei Reifenberg bestaune ich die Vexier-Kapelle, die „wandernde Kirche“, die je nach Blickwinkel, mal unten, mal in der Mitte und mal oben auf einem Berg zu stehen scheint, ein kleines optisches Wunder. Und davon gibt es in der Fränkischen Schweiz noch viel mehr. Die liegt im Städtedreieck Bamberg – Bayreuth – Nürnberg. Der Naturpark ist eine der ältesten und beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands mit einer kleinstrukturierten, bäuerlich geprägten Naturlandschaft, durch die sich romantisch anmutige Tallandschaften schlängeln, überragt von 35 mittelalterlichen Burgen und Ruinen. Mehr als 700 idyllisch gelegene, kleine Dörfer mit schmucken Fachwerkhäusern und blühenden Wiesen vermitteln das Gefühl, im „Schlupfwinkel Deutschen Gemütes“ zu sein. Sowohl für Sportfreunde als auch für Kulturinteressierte bietet die Region zahlreiche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und natürlich reichlich Gelegenheiten gut zu essen.

Das Kren-Menü: Das habe ich jetzt vor und freue mich auf ein Drei-Gänge-Krenmenü im „Gasthaus Sponsel Zum Schwarzen Adler“ am Fuß des Walberla in Kirchehrenbach  www.gasthaus-sponsel.de . Der Chef wartet schon in der gemütlichen Gaststube, aber zuvor zeigt uns ein Sohn die die Küche, wo gerade das Essen zubereitet wird, ein anderer Sohn die hauseigene Brennerei. Dort werden gut 30 verschiedene Destillate, Edelbrände, Liköre und Sonderbrände produziert, leider kann ich die nicht alle probieren. „Schnapsbrennen ist ein Kunsthandwerk“, sagt Herr Sponsel und ich gebe ihm gerne recht nach dem Genuss eines „Konstantinopler Apfelquittenbrandes“. Mit Meerrettich-Wurzeln ist der Tisch dekoriert, auf dem jetzt ein Gruß aus der Küche ankommt, Bauernbrot mit Lachs-Meerrettich-Röllchen. Dekorativ im Glas folgt ein Cappuccino von roten Beten- und Krensuppe mit gerösteten Speckstreifen. Weiß- und Rotweine aus Franken begleiten, diverse Biersorten aus Hetzelsdorf stehen alternativ zur Auswahl. Dreierlei Filet vom Kren mit Hansgirgeln (spezielle fränkische Kartoffelpuffer aus der Oberpfalz) folgen als Hauptgericht. Abgerundet wird das vorzügliche Mahl mit einem Mohn-Kren-Parfait an Fruchtspiegel, überraschend raffiniert, der Schlusspunkt eines hervorragenden Essens, Kochen nach der Saison mit regionalen Produkten wird hier ernst genommen. Nach den scharfen Wochen folgt die Zeit der Martins-Gänse, danach die Wild-Wochen, ein leckeres Motto findet sich immer. Beim Sponsel kann man aber nicht nur gut essen und trinken, auch Kultur genießen, ein breites Programm zwischen Comedy, Kabarett, Dinner Show, Schaubrennen und vieles mehr kann man dort –wie auch an vielen anderen Stätten in der ganzen Gegend- erleben.

Scharfe Wochen

Die scharfen Wochen veranstaltet zum 13. Mal die Tourismuszentrale Fränkische Schweiz. Gastronomen der Region kreieren für den gesamten Monat Oktober eine eigene „Kren-Speisekarte“ auf der mindestens drei Meerrettich-Hauptgerichte täglich angeboten werden. Mit der Aktion soll der Meerrettich als regionale Besonderheit eine weite Verbreitung als heimische Spezialität erfahren. Jede Menge Rezepte dazu gibt es unter  www.fraenkische-schweiz.com

Sicher wird auch nach den scharfen Wochen der köstliche Meerrettich nicht von den Speisenkarten der Region verschwunden sein, gute Aussichten für gute Genüsse!

Ein Beitrag mit Fotos für ReiseTravel von Wolfgang Grüner.

Wolfgang Grüner

Unser Autor Wolfgang Grüner ist freier Journalist für Touristik, Kulinarik und Musik und lebt in Köln.

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