München

Wer im Testament enterbt wurde, hat auch keinen Anspruch auf den Pflichtteil. Richtig oder falsch?

Meine Frau muss meiner Schwester einen Pflichtteil zahlen, wenn ich vor ihnen sterbe. Richtig oder falsch? Und meine Eltern können sowieso keinen Pflichtteil verlangen. Richtig oder falsch?

Um den Pflichtteil ranken sich zahlreiche Rechtslegenden. Sieben von ihnen hat Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke, Gründer des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“, enttarnt und näher unter die Lupe genommen.

So viel ist klar: Den Pflichtteil kann verlangen, wer nicht Erbe geworden ist und zum Verstorbenen in einem nahen Verwandtschaftsverhältnis steht. Der Höhe nach bemisst sich der Pflichtteil nach der Hälfte der gesetzlichen Erbfolge.

Das bedeutet: Liegt kein Testament oder Ehevertrag vor, dann tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Meistens erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte und jedes Kind ein Viertel, wenn es sich um den klassischen Vier-Personen-Haushalt handelt. Der Pflichtteil umfasst dann jeweils die Hälfte der gesetzlichen Erbquoten. Macht etwa eines der beiden Kinder den Pflichtteil aus einer Million Euro Erbmasse geltend, sind das ganz konkret 125.000 Euro.

„Doch für die meisten Menschen ist das Erbrecht Kauderwelsch. Sie wissen oft gar nicht, dass ihnen ein Pflichtteil zusteht. Durch diesen und andere Rechtsirrtümer verlieren sie mitunter viel Geld, ohne es direkt zu merken“, weiß Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke, Gründer des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“ aus dem täglichen Umgang mit enterbten Menschen. Hier sind die sieben häufigsten Rechtsirrtümer im Zusammenhang mit dem Pflichtteil:

Rechtsirrtum 1: Wer enterbt wird, hat auch keinen Anspruch auf den Pflichtteil

Das Gegenteil ist der Fall. Der Pflichtteil wurde gerade geschaffen, damit nahe Angehörige nicht vollständig leer ausgehen, wenn sie vom Erblasser übergangen wurden oder expressis verbis „enterbt“ wurden. Zwar kann jeder Erblasser frei bestimmen, wer seine Erben sein sollen und wer nicht. Nahe Angehörige können aber innerhalb von drei Jahren seit Kenntnis vom Tod des Erblassers zumindest den Pflichtteil gegen den oder die Erben einfordern. Diesen Pflichtteil kann der Erblasser ihnen nicht per letztwilliger Verfügung wegnehmen. Der Pflichtteil kann nur entzogen werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser oder nahen Angehörigen ein gravierendes Fehlverhalten gezeigt und sich deshalb strafbar gemacht hat oder wegen anderer Delikte zu einer erheblichen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Rechtsirrtum Nr. 2: Die Schwester ist pflichtteilsberechtigt, die Eltern dagegen nicht

Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten ist nach dem Gesetz genau festgelegt. Dazu gehören der Ehegatte sowie die eingetragenen Lebenspartner des Verstorbenen, ebenso wie seine ehelichen und nichtehelichen Kinder und Enkel, falls ein Kind vorverstorben ist. Auch die Eltern sind pflichtteilsberechtigt, wenn der vorverstobene Sohn oder die Tochter kinderlos geblieben ist. „Geschwister sind dagegen untereinander nicht pflichtteilsberechtigt, falls ein Bruder oder eine Schwester stirbt“, stellt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke vom Internetportal „Die Erbschützer“ klar.

Rechtsirrtum Nr. 3: Der Pflichtteilsanspruch ist wertlos, wenn der Erblasser ein ausschweifiges Leben führt

Natürlich kann der Erblasser in Saus und Braus leben, zum Beispiel eine teure Jacht unterhalten oder kostspielige Autos fahren. Damit schadet er seinen Erben und auch den Pflichtteilsberechtigten. Der Erblasser kann sogar sein Vermögen verschenken. Soweit dies geschieht, kann jedoch eine Umgehung des Pflichtteilsberechtigten vorliegen. Dieser kann dann einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Dann werden Schenkungen unter bestimmten Voraussetzungen bei der Berechnung des Pflichtteils mitberücksichtigt. Das heißt: Alle Geschenke mindestens der letzten zehn Jahre werden der Erbmasse hinzuaddiert. Allerdings sinkt der jeweilige Restwert des Geschenkes in der Regel jedes Jahr um zehn Prozent. Hat der Erblasser also fünf Jahre vor seinem Tod einem der Kinder einen 100.000 Euro teuren Oldtimer verschenkt, kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass sich die Erbmasse, nach der sich der Pflichtteil bemisst, um 50.000 Euro erhöht wird.

Rechtsirrtum Nr. 4: Wer enterbt wird und ein Vermächtnis annimmt, verzichtet auf den Pflichtteil

Oft vergessen Erblasser gern ihre frühere Familie, setzen die neue Frau als Alleinerbin ein und enterben so die Kinder aus erster Ehe. Damit die zweite Ehefrau sich keinen Pflichtteilsansprüchen der Kinder aus erster Ehe nach dem Tod des Erblassers aussetzen muss, stellt dieser den Kindern aus erster Ehe ein Vermächtnis in Aussicht – meistens in Geld. Lassen sich die Kinder das Vermächtnis von der zweiten Ehefrau auszahlen, stellt sich die Frage, ob sie trotzdem noch den Pflichtteil verlangen können, so wie in einem vom Oberlandesgericht Celle (Az.: 6 U 51/23) entschiedenen Fall. Dort hatten zwei der vier Kinder das Vermächtnis von je 100.000 Euro angenommen und nach Erhalt des Geldes zusätzlich noch den Pflichtteil gefordert, weil sich im Nachlass des Vaters mehrere Immobilien befanden, die nach Meinung der Kinder zu niedrig bewertet waren. Die zweite Ehefrau lehnte das ab und verlor vor dem Oberlandesgericht Celle. Es gilt § 2307 BGB: Ist ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Schlägt er nicht aus, so steht ihm ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht. „Der Erbe kann sich also nicht darauf berufen, dass mit der Annahme des Vermächtnisses der Pflichtteil entfällt. Vielmehr muss er bei Immobilienbesitz auf Verlangen der Pflichtteilsberechtigten ein Wertgutachten erstellen lassen“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke vom Erbrechtsportal „Die Erbschützer“. Ist der Wert höher als das Vermächtnis, besteht Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil. An einen stillschweigenden Verzicht auf den Pflichtteil sind laut Rechtsanwalt Dr. Gelbke strenge Anforderungen zu stellen. Dieser sei nur in wenigen Ausnahmefällen gegeben.

Rechtsirrtum Nr. 5: Kein Pflichtteil, wenn Eltern Immobilie einem Kind verschenken und sich lebenslanges Wohnrecht einräumen lassen

Immer wieder passiert es, dass die Eltern einem Kind die Familienimmobilie schon zu Lebzeiten gegen ein lebenslanges Wohnrecht an allen Räumen schenken und die übrigen Kinder nichts bekommen. Nach dem Tod der Eltern berufen sich die Beschenkten gegenüber den übrigen Geschwistern dann darauf, dass die Schenkung schon mehr als 10 Jahre zurückliegt und deshalb kein Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr anfällt. „Doch das ist falsch. Grundsätzlich sinkt der fiktive Erbwert der verschenkten Immobilie zwar jedes Jahr um 10 Prozent. Allerdings greift dieser Automatismus bei Immobiliengeschenken dann nicht ein, wenn eine Immobilie mit einem Wohnrecht belastet ist. Solange das Wohnrecht besteht, beginnt die 10-Jahresfrist beim Pflichtteilsergänzungsanspruch grundsätzlich nicht abzulaufen. Die Folge ist, dass die enterbten Kinder von dem beschenkten Kind nach dem Erbfall den Pflichtteil in voller Höhe verlangen können“, sagt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Az.: 33 U 5525/21).

Rechtsirrtum Nr. 6: Allein erbender Sohn kann Pflichtteilsansprüche um erbrachte Pflegeleistungen reduzieren

Eltern setzen gern diejenigen Kinder als Alleinerben ein, die sie bis zum Tode pflegen. Kommt es dann zum Erbfall, verlangen die enterbten Kinder von dem Alleinerben den Pflichtteil. „Doch den kann der Alleinerbe in vielen Fällen nicht um die erbrachten Pflegeleistungen reduzieren“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke, Betreiber des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“. Grund dafür ist, dass die Eltern die Pflegeleistungen oft mit der exklusiven Erbeinsetzung honorieren, damit aber auch den gesamten erbrachten Aufwand endgültig ausgleichen wollen, so dass die Pflegeleistungen nicht auch noch beim Pflichtteilsausgleich gegenüber den Enterbten in Abzug gebracht werden dürfen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden (Az.: IV ZR 269/20). In dem Fall hatte der Bruder die gemeinsame Mutter über ein Jahrzehnt hinweg gepflegt, was die Mutter durch die Einsetzung als Alleinerben im Testament honoriert hatte und sich laut der Karlsruher Richter dadurch nicht mehr weiter pflichtteilsmindernd auswirkte.

Rechtsirrtum Nr. 7: Auch ungewisse Nachlassverbindlichkeiten schmälern den Pflichtteil

Immer wieder kommt es vor, dass Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten argumentieren, dass noch weitere Personen einen Pflichtteil fordern oder andere Gläubiger wie Finanzamt oder Handwerker wegen späterer unbezahlter Bescheide und Rechnungen bezüglich geerbter Gegenstände vor der Tür stehen und deshalb den Nachlass schmälern. „Das alles braucht den Pflichtteilsberechtigten entgegen landläufiger Meinung nicht interessieren. Denn entscheidend ist die Erbmasse zum Todeszeitpunkt. Falls später doch noch Verbindlichkeiten ausgeglichen werden müssen, die vor dem Sterbedatum entstanden sind und erst hinterher auftauchen, kann es allerdings zu Rückabwicklungen hinsichtlich der Höhe des ausgezahlten Pflichtteils kommen“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke. Bisweilen sei es auch ratsam, sich mit den Erben außergerichtlich im Rahmen eines Vergleichs zu einigen.

JustSolutions GmbH. Bonner Straße 484-486, D-50968 Köln (Marienburg). info@erbschuetzer.de Geschäftsführer: Dr. jur. Sven Gelbke

Von Marcus Creutz, Public & Media Relations, www.marcus-creutz.de - info@marcus-creutz.de

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