Emmanuelle Pirotte

Emmanuelle Pirottes Großeltern schützten im Zweiten Weltkrieg ein jüdisches Kind vor den Nazis. Aus Erinnerungen und schmerzvoller Geschichte ist ein Buch entstanden, das polarisiert und doch bewegt.

Die 7-jährige Reneè hat ihre Eltern verloren. Im letzten Kriegswinter versteckt ein Pfarrer in den Ardennen das jüdische Mädchen vor den Nazis. Als deutsche Truppen das Dorf bedrohen, will der Geistliche sie Amerikanern übergeben. Diese erweisen sich jedoch als in US-Uniformen getarnte Mitglieder der Waffen-SS.

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Roman: In einem Wald soll Reneé erschossen werden. Auf dem Weg zu ihrer Ermordung stillt das unbekümmerte Kind seinen Durst mit Schnee, dreht sich um und blickt einem der SS-Männer ins Gesicht. Der in einer Eliteeinheit zur Killermaschine gedrillte Matthias zieht seine Pistole.

Emmanuele Pirotte: Die Drehbuchautorin wurde 1968 geboren und lebt in einer kleinen Gemeinde in Belgien. Mit ihrem Kriegsdrama „Heute leben wir“ legte sie ihren Debütroman vor. Filmrechte für das zunächst nur als Drehbuch geplante und mittlerweile in zehn Sprachen übersetzte Buch „Today we live“ sind bereits vergeben. Weil das geschriebene Wort jedoch mehr „erzählerische Möglichkeiten“ biete, entschied sich Pirotte für den Roman. Beim geschriebenen Wort sei es einfacher, „sich in die Psyche der Figuren hineinzudenken“, begründete sie ihre Entscheidung gegenüber dem S. Fischer Verlag. Im Film, stellte sie weiter fest, erkläre sich das Seelenleben der Figuren nur über die Aktion. Das Buch war insbesondere in Frankreich ein Publikumserfolg und wurde mehrfach ausgezeichnet.

ReiseTravel Fact: Die schwarz gelockte Reneé mit wachen, dunklen Augen wird von dem SS-Mann Matthias gerettet. Zunächst nur widerwillig kümmert sich der Deutsche um das Kind, dem er sich auf sonderbare Weise verbunden fühlt. Die elternlose Reneé, die der Deportation in ein Konzentrationslager entgangen ist, fühlt sich ihrerseits zu dem reservierten, wortkargen Mann hingezogen. Mit Perspektivwechseln aus der Sicht von Reneé und Matthias schildert die Autorin das Geschehen vor dem Hintergrund der Ardennen-Offensive Weihnachten 1944. Im Erdgeschoss und Keller eines Gehöfts suchen Dorfbewohner Schutz vor den deutschen Besatzern oder werden je nach militärischer Lage mit amerikanischen Soldaten konfrontiert. Bei ihnen findet die unbekümmerte Jüdin Unterschlupf. Emmanulle Pirottes durchweg spannende Schilderungen menschlichen Verhaltens zwischen Ohnmacht, Todesangst und Zuversicht offenbaren hier aber auch ihre Schwächen. Während das clevere, sachlich konzentrierte Handeln der kleinen Reneé in keiner Situation dem Verhalten einer erst Siebenjährigen entspricht, nimmt der Hörer / Leser Matthias schon nach wenigen Seiten als Heldenfigur war. Pirotte lässt in ihrem Buch mit historischen Bezügen einen Protagonisten agieren, der in dem von Obersturmbannführer Otto Skorzeny kommandierten „Unternehmen Greif“ als GI getarnter Spion und Vollstrecker eingesetzt ist. Dass Matthias nach seiner Rückkehr und gewollten Kampfausbildung im Nazi-Deutschland als skrupelloses und gewissenloses „übertrainiertes Kriegstier“ unterwegs ist, begründet sie mit dessen Drill und Vergangenheit bei den Cree-Indianern in der rauen Natur von Quebecs Wäldern. Pirotte relativiert das Abschlachten von Zivilisten, Mordgeschick und Kaltblütigkeit des Elite-Soldaten, weil diesem die NS-Rassenideologie zumindest schnuppe ist und er sein „Handwerk“ jetzt für das eigene und Reneés Überleben einsetzt. Profunde französische und englische Sprachkenntnisse helfen bei den Täuschungsmanövern im Versteck.

Alice im Naziland. Wunderkind und Hero - gemeinsam durch dick und dünn. Mit einem sarkastischen Fazit könnte man das Buch getrost in die Mülltonne der Geschichte entsorgen. Emmanulle Pirotte schreibt aber keine Doku und auch kein Buch mit dem Anspruch politischer oder moralischer Korrektheit. Sie erzählt eine packende Geschichte aus dunkler, für weichgespülte Wohlstandsbürger kaum nachvollziehbar barbarischer Zeit. Vielleicht inspiriert von dem Gedanken, dass Zeiten und Ereignisse Lebensentwürfe hinterfragen können. Dass unverhoffte Begegnungen Verhaltensweisen beeinflussen, und dass die Zeiger der Uhren immer nur vorwärtsgehen. Aus diesem Blickwinkel ist das emotionale Kriegsdrama ein Plädoyer für Menschlichkeit, in dem zwei zu Helden überzeichnete Romanfiguren ein unfassbares Geschehen fassbar machen.

Man wird diesen dramatischen schnörkellos geschriebenen Roman schätzen oder gleich beiseitelegen. Leider scheint es, als sei der Autorin zum Schluss der Stoff ausgegangen. Hastig mit zu lockerer Feder formuliert sie dem Finale ihrer eigentlich beachtenswerten Geschichts-Lektion entgegen. Von Manfred Lädtke 

Heute leben wir von Emmanuelle Pirotte. Jumbo Neue Medien & Verlag, Henriettenstraße 42A, 20259 Hamburg www.goyalit.de Gelesen von der Schauspielerein Bibiana Beglau. 4 CDs. Gesamtspielzeit 5:14 Stunden.

ISBN 978-3-8337-3708-4. Die gleichnamige Buchausgabe ist im S. Fischer Verlag erschienen.

Das Hörbuch kostet 15 Euro.

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