Berlin

Seit 64 Jahren steht der Bariton mit Mütter Rente Wolfgang Krautwig auf der Bühne

Milchmann Tevje: Wolfgang Krautwig kam 1939 im ostpreußischen Allenstein zur Welt. Sein Vater ernährte als Opernsänger die Familie, die Frau Mama war Sängerin und Schauspielerin von Beruf. Sowohl seine Großeltern väterlicher- als auch mütterlicherseits waren ebenfalls Schauspieler und Sänger von Beruf. Da war es also logisch, dass Wolfgang Krautwig auch einen künstlerischen Beruf ergriff. In Bremen ließ er sich mit Diplom zum Balletttänzer ausbilden.

Noch immer gerät der Künstler ins Schwärmen, wenn er nach seinem größten Auftritt als Balletttänzer gefragt wird. „Im Jahre 1972 wirkte ich bei den Wagner Festspielen in Bayreuth mit. Es war schon beeindruckend, in der Besetzungsliste meinen Namen zu finden bei all den Weltstars, die auf der Bühne wirkten.“ Natürlich hat er heute noch Programmhefte in seinem Besitz, wo dieses Ereignis aus 1972 vermerkt ist.

Ein ganz schrecklicher Schicksalsschlag ereignete sich 1979. Seine Gattin und die Mutter der drei kleinen Kinder erkrankte sehr schwer an Asthma. „Auf dem Sterbebett habe ich meiner Frau versprochen, dass unsere Kinder kein Fall für die Behörden werden. Unsere Kinder kommen in kein Heim, das war uns beiden klar.“

Als Wolfgang Krautwig dem Intendanten in Coburg, wo er als Tänzer unter Vertrag stand, mitteilte, er sei Witwer geworden, kondolierte der Theaterleiter. „Hilf mir lieber, anstatt zu kondolieren“, war die Antwort des Künstlers. Er sagte dem Coburger Intendanten: „Als Tänzer habe ich nicht das Einkommen eines Sängers oder Schauspielers. Ich muss allein drei kleine Mäuler stopfen, also gib mir Rollen als Sänger oder Darsteller, da liegen die Gagen höher.“ Natürlich entgegnete der Angesprochene: „Du bist ja kein ausgebildeter Sänger und Schauspieler.“ Der alleinerziehende Vater konnte seinen Chef mit folgender Antwort überzeugen: „Die Rollen, die ich einst getanzt habe, singe und spiele ich jetzt.“ Der Versuch mit dem Sänger Krautwig auf den Coburger Bühnen war sowohl für das Theater als auch das Publikum ein voller Erfolg. Den Vorwurf, kein ausgebildeter Schauspieler und Sänger zu sein, ließ der Diplom Tänzer nicht lange auf sich sitzen. Er nahm Gesangsstunden und absolvierte eine Ausbildung zum Sänger und entdeckte dabei, der Bariton ist seine Stimmlage. „Im unbezahlten Nebenberuf war ich seinerzeit noch für drei Kinder und mich Hausmann. Ich hatte mir das Backen und Kochen, Bügeln und Putzen beigebracht, für ein Dienstmädchen war nicht das nötige Kleingeld in meiner dünnen Brieftasche.“ Seine verstorbene Gattin hatte er so sehr in sein Herz geschlossen, dass er später nie daran dachte, noch mal nach einer anderen Dame Ausschau zu halten, bis heute ist er Witwer geblieben. Der Eifer von damals als alleinerziehender Vater wird heute belohnt. Der Bariton darf nicht nur seine Altersrente beziehen, er erhält auch die ihm zustehende Mütter Rente.

Als Sänger sind seine Paraderollen in der Komischen Oper „Wildschütz“ von Albert Lortzing der „Haushofmeister Pankratius.“ In der romantischen Operette „Land des Lächelns“ von Franz Lehár glänzt er sowohl als „Alter Diener“ als auch als „Obereunuch.“

Im von Ralph Benatzky komponierten Singspiel „Im weißen Rössel“ feiert der Sänger Erfolge als „Schöner Sigismund.“ Den „Fabrikanten Schmusheim“ stellte er zigfach in der von Leon Jessel komponierten Operette „Schwarzwaldmädel“ dar. „Wie sehr ich auf Leon Jessel treffe, hätte ich mir nie träumen lassen“, so der Künstler im Gespräch mit ReiseTravel. „Seit einigen Jahren bin ich in Berlin zu Hause. In Wilmersdorf wohne ich in unmittelbarer Nähe des Leon Jessel Platzes, komme somit also täglich an dem großen Komponisten vorbei. Er ist ja auch in Wilmersdorf beigesetzt worden.“ Eine Rolle konnte Wolfgang Krautwig bisher noch nie spielen, das ändert sich nun.

In Berlin Reinickendorf tritt er in Zusammenarbeit mit der dortigen Musikschule als „Milchmann Tevje“ in dem Musical „Anatevka Fiddler on the roof“ des Komponisten Jerry Bock auf. Dazu sagte der Sänger: „Sie müssen wissen, als junger Ballettstudent hatte ich vor Jahrzehnten einmal in Wien den Tevje gesehen und gehört. Ich habe nie gedacht, dass ich den Milchmann auf der Bühne darstellen darf. 75 Jahre musste ich werden, damit sich dieser Traum doch noch erfüllt.“ Besonders erfreut ist er darüber, dass die „meisten Kolleginnen und Kollegen so jung sind, dass sie meine Enkel vom Alter her sein könnten. Ich kann mich wirklich nicht beklagen, die jungen Schüler der Reinickendorfer Musikschule haben sogar großen Respekt vor mir, dem alten Herrn.“ Voll des Lobes ist er „auch über die erwachsenen Kollegen bei „Anatevka.“ Mit dem musikalischen Leiter Stefan J. Walter, der Chorleiterin Christine Barker und der Regisseurin Birgit Eckenweber habe ich hier ein supernettes und kompetentes Team an meiner Seite. Es ist ein Glücksgriff für mich.“

Die in Reinickendorf für Kultur zuständige Bezirksstadträtin Katrin Schultze-Berndt weiß auch, welchen Glücksgriff sie mit Wolfgang Krautwig gemacht hat. „Als Herr Krautwig die ihm angebotene Rolle des Milchmann Tevje annahm, waren wir sehr stolz, einen so anerkannten Künstler für unseren Bezirk gewonnen zu haben. Er stand auf vielen internationalen Bühnen und arbeitet jetzt mit unserer Musikschule zusammen und gibt seine Erfahrungen dankenswerterweise nun den jungen Musikschülern weiter“. www.wolfgang-krautwig-schauspieler-saenger.de

ReiseTravel Fact: Wolfgang Krautwig beeindruckt nicht nur ob seiner künstlerischen Leistungen. Ein dreifacher Vater hat als Witwer allein alle Hürden bewältigt, damit die Kinder nicht ins Heim kamen. Das verdient großen Respekt und Anerkennung. Er gibt auch gerne sein Wissen, sein Können und seine Erfahrungen den jungen Musikschülern weiter. Bei so „einem alten Hasen“ lernen die Schüler garantiert sehr viel.

Fontane Haus, Berlin-Reinickendorf, Wilhelmsruher Damm 142 c. www.fontane-haus.de

Ein Beitrag für ReiseTravel von Volker T. Neef.  

Volker T. Neef ReiseTravel.euUnser Autor berichtet aus der Bundeshauptstadt und ist in Berlin wohnhaft.

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