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„Am Ende geht man nackt“ und der dritte Franken-Tatort entsteht in Bamberg
Krimizeit: Heilloses, silbrig-graues Durcheinander. Waschmaschine, Kühlschrank verschmort. Brot, Kartoffeln, Geschirr verkohlt. Tisch, Stühle, Regale angesengt. Scheiben zerborsten. Eine Bravourleistung der Requisite. Die Feuerwehr war schon vor Tagen da. Die Leiche ist längst abtransportiert. Aber Dienstag macht sich der Leiter der Spurensicherung Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) im weißen Overall nochmals an die Arbeit, instruiert vom Schweizer Regisseur Markus Imboden.
Gedreht wird in der Bamberger Lagarde Kaserne eine Szene für den dritten „Franken-Tatort“. Bei einem Brandanschlag auf eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Bamberg kommt Neyla Mafany, eine Frau aus Kamerun, zu Tode. Als der Brandsatz flog, war sie im Nebenraum der Gemeinschaftsküche, der Fluchtweg durch eine nur von der Küche aus zu verriegelnden Tür versperrt. Sie erstickte. Wer hat die Tür verriegelt?
Als Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) mit Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) vor Ort sind, um den Fall aufzunehmen, ist Felix Voss (Fabian Hinrichs) noch auf dem Weg zurück aus dem Urlaub. Er war bei Verwandten im Kaukasus. Dass ihn in der Flüchtlingsunterkunft noch niemand kennt und dort nur untereinander und ganz sicher nicht mit der Polizei geredet wird, bringt Voss auf die Idee, undercover als tschetschenischer Flüchtling zu ermitteln.
Das Ermittlerteam Leiter der Spurensicherung Michael Schatz (Matthias Egersdörfer), Hauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), Kommissar Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt), Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Kommissarin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid)
Gratwanderung
Das ist die Geschichte. Der Franken-Tatort „Am Ende geht man nackt“ ist für alle Beteiligten eine Gratwanderung. Wie Redaktionsleiterin Stephanie Hecker erzählt, hatte Autor Holger Karsten Schmidt bereits Ende 2014 damit begonnen, über den Stoff nachzudenken. Eine Drehbuch-Entwicklung dauert normalerweise anderthalb Jahre.
„Wir haben uns also das ganze Jahr 2015 mit dem Thema beschäftigt.“ Womit damals keiner rechnen konnte war, dass sich die Flüchtlingssituation seit Herbst 2015 massiv und ständig verändert hat. „Wir saßen ständig schwitzend vor den Nachrichten, immer im Hinterkopf, wo das Drehbuch heute wieder nachziehen muss.“ Hecker: „Das Drehbuch ist im Grunde immer der Realität gefolgt.“
Das begann damit, dass 2015 die Balkanroute geschlossen wurde und die Herkunftsländer neu definiert werden mussten. „Ganz ursprünglich hatten wir an albanische Flüchtlinge gedacht. Wir wussten aber auch, dass der Tatort im Frühjahr 2017 ausgestrahlt wird.“ Man sei also in der Drehbuchentwicklung immer den Geschehnissen gefolgt.
Realität der Fiktion gefolgt
Interessant: Ursprünglich sollte in Bayreuth gedreht werden, wo es 2015 eine echte Erstaufnahmeeinrichtung gab. „Wir haben ja den Anspruch, so realistisch wie möglich zu sein.“ Aber in Bayreuth waren während der geplanten Dreharbeiten die Wagner-Festspiele anberaumt. Mit der Folge: Es gab keine freien Hotels. Bayreuth als „Tatort“ scheiterte also an der Logistik.
„Dann gab es eine Ausstatterin, die aus Bamberg kam und einen Regisseur, der ihrem Herzschlag folgte.“ Man entschied sich für Bamberg. „Also wurde aus der Erstaufnahmeeinrichtung eine Gemeinschaftsunterkunft, die es in Bamberg schon immer gab.“ Was aber dann der Produktion in die Hände spielte: „Seit Juli 2016 gibt es Bamberg auch eine Erstaufnahmeeinrichtung, die Nationalitäten unterschiedlicher Herkunft beheimatet.“ Heckner: „In unserem Fall ist die Realität der Fiktion gefolgt.“
Wie die Schauspieler mit dem Flüchtlingsthema umgehen, erzählt Dagmar Manzel. Sie spielt die Kommissarin Paula Ringelhahn. „Man sieht ja, wenn man sich die letzten Wahlen anschaut, wie stark man mit dem Für und Wider Flüchtlinge punkten kann.“ Dieser Tatort zieht klar Position zugunsten der Flüchtlinge und zeigt auf aus welchen Gründen sie ihre Heimat verlassen. „Und was es bedeutet, wenn man empfangen wird, so wie es bei uns in der Geschichte passiert.“
Klima in Deutschland hat sich verändert
Dayan Kodua, die das Mordopfer Neyla spielt, geht noch einen Schritt weiter. Seit einem Jahr spüre sie, wie sich das Klima gegenüber Fremden in Deutschland verändere. „Ich wohne in Hamburg, das eigentlich sehr offen ist. Wenn ich Bus und Bahn nehme, merke ich schon, dass die Leute sehr abweisend geworden sind, dass sie Ängste haben. Und das hatte ich vor drei Jahren nicht.“ Angst mache sich vor allem über die Zukunft ihrer beiden kleinen Kinder, „die auch nicht deutsch aussehen.“
Der 1991 in Stuttgart geborene Yasin El Harrouk, er spielt ebenfalls einen Flüchtling, hat marokkanische Wurzeln. „Ich merke, dass dieses ganze Flüchtlingsthema auch mit uns zu tun hat.“ Was ihn die Angst der Deutschen nachvollziehen lasse. Deshalb rate er den Flüchtlingen, zwei Dinge einzuhalten: Sprache lernen und offen umgehen mit den Deutschen. Sich nicht abkapseln.
„Als Flüchtling hast du den Hauptbahnhof, wo du gerne bist und das Flüchtlingsheim, wo du ungern bist.“ Und wohl jeder habe schon eine Menge Ungerechtigkeiten empfunden. Über die eine Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr gekommen sei, dürfe man die vielen Millionen nicht vergessen, die wie er in der Vergangenheit erfolgreich zur Schule gegangen und in diesem Land groß geworden seien.
Ein Beitrag mit Foto für ReiseTravel von Helmut Kunz.
Unser Autor wohnt in Weiden.
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